Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
um Aufschub bitten, am Abend zuvor war einfach alles zu schnell gegangen. Aber dann erkannte sie, dass die Augen des gesamten Stammes auf sie und Kahu gerichtet waren. Dies war keine heimliche Verlobung, hier ging es nicht um ein paar geflüsterte Versprechungen zwischen zwei Menschen. Wie es aussah, hatte Kahu ihre geplante Verbindung am Morgen dem ganzen Stamm verkündet! Lizzie fühlte sich schwindelig. Wie es aussah, konnte sie nicht zurück, zumindest nicht ohne einen Eklat! Sie würde nicht nur den Mann Kahu Heke zutiefst verletzen, sondern auch dem Häuptling der Ngati Pau seine Würde rauben. Lizzie biss sich auf die Lippen. Es half alles nichts, sie musste Kahu heiraten. Oder sich im Fluss ertränken. Die letzte Vorstellung half ihr zu lächeln.
»Ich … ich bin auch glücklich«, behauptete sie.
Vielleicht würde sie es ja wirklich sein. Zumindest würde sie nicht mehr frieren. Und nicht mehr allein sein. Und Michael machte sich ja ohnehin nichts aus ihr. Wenn nur nicht alles so schnell gegangen wäre.
Lizzie rieb sich die Schläfe, ihr Kopf schmerzte immer noch. Und dann hörte sie erneut Haikinas Stimme neben sich.
»Bitte, Lizzie«, sagte das Mädchen, immer noch versteckt hinter ihrem Vorhang aus dunklem Haar. »Bitte rede mit mir. Allein. Vielleicht erzähle ich dir ja gar nichts Neues, aber … Sag den anderen, wir gingen Blumen pflücken. Oder was pakeha so machen vor ihrer Hochzeit.«
Lizzie dachte nach. Haikina schien es wirklich wichtig zu sein, sie wirkte nicht verärgert, eher besorgt.
Sie nickte ihrer Freundin zu. »Wir gehen einen Brautkranz winden«, improvisierte sie. »Blumen werden wir ja nicht finden mitten im Winter.«
Tatsächlich lag Raureif auf den Farnen und Südbuchen, die in diesem Teil Neuseelands den Wald bildeten. Sicher würde es auch bald schneien, Pflanzen für einen Kopfschmuck waren kaum noch zu finden. Die Ausrede mit dem Brautkranz konnte nicht sehr überzeugend sein.
Aber weder Hainga noch Kahu stellten Fragen, als Lizzie und Haikina schließlich zusammen das Dorf verließen. Die Frauen waren mit der Vorbereitung des Festes beschäftigt. Die Besucher aus Kaikoura würden noch bleiben. Und da am Tag zuvor schon ein Festmahl stattgefunden hatte, waren die Vorräte aufgebraucht. Die Männer mussten erneut fischen und jagen, die Frauen mahlten Getreide. Niemand murrte über die Arbeit. Ein neues Jahr, das mit einer Hochzeit begann, würde besonders glücklich werden, darüber waren sich alle einig. Und dass Lizzie vor der Nacht der Nächte noch einige pakeha -Bräuche pflegen wollte, fanden die Ngai Tahu ganz normal.
Haikina und Lizzie wanderten schweigend bergauf, bis ihnen warm wurde. Dann setzten sie sich auf einen Felsen, von dem aus man das Dorf übersehen konnte. Lizzie war sich nicht sicher, aber Haikina schien Kahu und Hainga wachsam im Auge zu behalten.
»Was ist denn nun?«, brach es schließlich aus Lizzie heraus. »Du … du bist doch nicht böse auf mich, oder? Ich hab Kahu nicht ermutigt … ich wollte eigentlich gar nicht … Es wäre … es wäre bestimmt richtiger gewesen, er hätte dich geheiratet.«
Haikina, ein schönes, für eine Maori sehr schlankes und großes Mädchen, sah Lizzie ungläubig an. »Mich?«, fragte sie. »Wie kommst du denn darauf?«
»Na ja, weil er … weil er doch Häuptling wird, und du bist die Tochter einer tohunga . Es … passt so gut …«
Haikina lachte, aber es klang nicht sehr fröhlich. »Du glaubst, es ist wie in einem der Märchen der pakeha , ja?«, fragte sie. Es hätte eine Neckerei sein können, aber es klang bitter. »Der Prinz reitet aus, um irgendwo in der Ferne eine Prinzessin zu finden …«
Lizzie nickte.
Haikina verdrehte die Augen und zog ihr Umschlagtuch enger um sich. »Das habe ich mir gedacht«, fuhr sie fort. »Aber so ist es nicht, Lizzie. Bei uns heiratet man selten außerhalb des Stammes, erst recht nicht die Kinder des Häuptlings. Der Prinz, Lizzie, heiratet im Maori-Märchen seine Schwester!«
»Er tut was?«, fragte Lizzie entsetzt. »Aber das …«
»Das ist tikanga , Lizzie, seit den Zeiten von Hawaiki. Je nach Stamm wird es mehr oder weniger häufig so gehandhabt, bei den Ngai Tahu eigentlich gar nicht mehr. Dafür haben schon eure Missionare gesorgt. Aber auf der Nordinsel ist es durchaus noch üblich.«
Haikina brach einen Zweig von einem der Farne ab, der ihnen Windschutz bot, und spielte damit.
»Wenn Kahu dir das nicht erzählt hat, so nehme ich an, er hat auch all die
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