Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
wollte nicht eifersüchtig sein, aber sie fühlte fast etwas wie Hass auf das engelsgleiche Wesen, als das er ihr seine Liebste in der alten Heimat schilderte. Sie hatte vorsichtig gefragt, einen Scherz daraus gemacht, dass sie zu gern etwas von dem Mädchen wissen wolle, für das er sie gehalten habe. Ob sie einander denn so ähnlich sähen?
Lizzie hatte sich verletzt gefühlt, als er diese Frage mit einem Lachen quittierte. Nein, natürlich habe sie nichts gemeinsam mit dieser goldlockigen Fee mit ihren leuchtend grünen Augen, ihrer hochgewachsenen Gestalt … Michael wollte gar nicht mehr aufhören, von seinem Mädchen zu schwärmen.
Lizzie konnte sich nur in Geduld üben. Gut, leibhaftig könnte sie niemals gegen dieses reizende Mädchen bestehen, aber wenn man es praktisch sah: Kathleen war weit weg, Michael würde sie nie wiedersehen, und irgendwann würde ihr Bild verblassen. Lizziedagegen hatte er täglich vor Augen, und auch wenn sie nicht schön war – Michael war ein Mann. Auf die Dauer würde er eine Frau brauchen, und warum sollte Lizzie nicht auch einmal Glück haben? Unter den Deportierten waren nur wenige wirklich schöne Frauen, und die wurden schnell weggeheiratet.
Der Master des Schiffes hatte sich für die schöne Velvet entschieden. Sie gab sich ihm widerwillig hin, wobei ihn gerade ihre spröde Art zu reizen schien. Velvet würde sich in der neuen Heimat nicht mit einem Häftling abgeben. Ein freier Siedler oder ein Soldat konnte ihr mehr bieten – vorzeitige Freilassung und obendrein ein großes Haus und Dienstboten.
Und Michael … Lizzie erkannte jetzt schon, dass er nicht zu den einfachsten Menschen gehörte. Natürlich war er freundlich, klug, sie liebte seine Scherze und seine Schmeicheleien. Aber er war auch stolz und leicht erregbar. Lizzie wusste inzwischen, warum man ihn mit den Schwerverbrechern angekettet hatte. Michael Drury würde sich nicht anpassen, und wenn er trotzdem in einem System überleben wollte, das den Sträflingen nun mal Wohlverhalten und Demut abforderte, würde er eine Frau brauchen, die zu ihm stand.
Lizzie verfolgte keine besondere Strategie, um Michael Drury für sich zu interessieren. Zu oft war sie gezwungen gewesen, Männern etwas vorzumachen. Für Michael wollte sie nur da sein, sie wollte nichts, als ihm Gutes zu tun. Dass sie dabei wieder einmal in ein Dilemma geriet, bemerkte sie nicht gleich. Wenn sie sich jetzt mit Jeremiah an Deck traf und ihm zu Willen war, bat sie um Pökelfleisch und Wurst. Angeblich, um dem Eintopf für die Kranken etwas Stärkendes hinzuzufügen. Tatsächlich brachte sie es nur Michael.
»Wir kriegen das als Lohn für die Krankenpflege«, schwindelte sie ihm vor. »Aber du brauchst es nötiger als ich!«
Der Ton zwischen den Kranken und den pflegenden Frauen wurde in den letzten Tagen immer formloser. Die ersten Männer waren schon wieder kräftig genug, ihre Freude in den Armen willfähriger Mädchen zu suchen – woraufhin sich die Menge der pflegebereiten Frauen täglich vergrößerte. Lizzie war nicht die Einzige, die sich in einen der jungen Männer verliebte, auch die anderen hatten genug von den Zweckgemeinschaften mit Matrosen und Wachpersonal. Zudem ging die Reise ihrem Ende zu, und viele Mädchen sehnten sich nach einem Mann, der sie dann nicht verlassen würde, sondern der ihnen vielleicht eine Stütze sein konnte im neuen Land.
»Sie ist ein reizendes Mädchen …«, sagte Michael zu einem der anderen Iren aus dem Zuchthaus in Wicklow. Die Männer lagen nebeneinander, seit Billy Rafferty gestorben war, und hatten sich dabei etwas angefreundet. »Die Engländer sind verrückt! So ein nettes Ding zu deportieren, nur weil sie ein Brot gestohlen hat!«
Hank Lauren lachte dröhnend. »Die mag ja ein Brot gestohlen haben«, bemerkte er dann. »Aber nur, weil sie gerade zu faul war für den nächsten Freier!«
Michael richtete sich empört auf den Ellenbogen auf. »Was soll das, Hank? Für dich ist wohl jedes Mädchen eine Hure!«
Erneutes Lachen erklang, diesmal verstärkt durch den Matrosen auf dem Bett an Michaels anderer Seite.
»Und du stehst auf die mit dem Heiligenschein!«, zog er Michael auf. »›Mary Kathleen‹ … Allein, wie du’s aussprichst, ist’s fast ein Gebet …«
»Wobei zu hoffen bleibt, dass wenigstens ›Mary Kathleen‹ so heilig ist, wie sie dich hat glauben machen. Die kleine Lizzie hier schafft jedenfalls an«, höhnte Hank, in Wicklow ein stadtbekannter Gauner und
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