Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
nahm Abschied von Jeremiah – einerseits aufatmend, andererseits fast etwas widerstrebend. Sie hatte den Wachmann nicht geliebt, und sie nahm zudem an, dass die Ablehnung, die Michael sie in den letzten Tagen immer deutlicher hatte spüren lassen, mit ihrem Verhältnis zu Jeremiah zusammenhing. Aber andererseits hatte ihr der Mann geholfen, die Reise zu überstehen. Er war stets freundlich gewesen, hatte nie Wut und Frustration über seine Vorgesetzten an ihr ausgelassen. Lizzie hatte einen Beschützer gebraucht, und sie hatte Jeremiah dafür bezahlt – mit dem einzigen Zahlmittel, das sie besaß. Wenn Michael das nicht einsah, so ließ sich daran nichts ändern.
Lizzie rieb sich entschlossen die Tränen aus den Augen. Jeremiah küsste sie gerührt. Er musste denken, sie weine um ihn, und Lizzie ließ ihn in diesem Glauben.
»Cascades Female Factory …«
Eine stabile, streng gekleidete Wärterin wies dem Fahrer das Ziel des Transports an, nachdem sie die Frauen mithilfe des Militärs auf Planwagen verteilt hatte. Lizzie, Candy und Anna Portland klammerten sich aneinander. Nach der langen Zeit auf dem Schiff schien der Boden unter den Frauen zu schwanken. Anna wäre fast gefallen, als sie die Gangway heruntergetrieben wurden, und Lizzie hatte selbst jetzt im Wagen das seltsame Gefühl, über unsicheren Grund gefahren zu werden. Hinaussehen konnten die Frauen kaum, lediglich Velvet spähte durch einen Spalt in der Plane. Die Frauen erhaschten kurze Blicke auf saubere, kleine Straßen, Holzhäuser und trutzige Gebäude aus rötlichem Stein.
»Alles von Sträflingen gebaut«, bemerkte Velvet.
Ihre Stimme klang teilnahmslos. Lizzie fragte sich, ob sie dem Master nachtrauerte, der sie in den letzten Wochen fast jede Nachtin sein Bett geholt hatte. Aber wie immer gab das schöne schwarzhaarige Mädchen nichts von sich preis.
Auch die Female Factory, der Arbeitsplatz der weiblichen Sträflinge, war aus Stein erbaut. Langgezogene, schmucklose Gebäudekomplexe und Zellentrakte.
Die Wärterin befahl die Frauen zunächst in einen Warteraum, dann durften sie sich unter strenger Aufsicht waschen und erhielten Anstaltskleidung. Anna Portland sah ihrer Haube traurig nach, als ein paar Sträflingsfrauen mit der getragenen Kleidung der Neuankömmlinge verschwanden. Die in aller Regel abgenutzten, nach der Reise verdreckten Sachen wurden verbrannt.
»Und nun Haare schneiden!«, befahl die Aufseherin – eine Anweisung, die Schreie des Entsetzens nach sich zog.
Lizzie sah fassungslos zu, wie Annas mit grauen Fäden durchzogenes braunes Haar fiel, Candy schluchzte verzweifelt, als man ihre prächtigen roten Locken stutzte, und auch Lizzie weinte, als die Schere einer gelangweilten Wärterin durch ihr langes weiches Haar fuhr. Es wuchs nicht sehr schnell, sie würde Jahre brauchen, bis sie wieder halbwegs ansehnlich aussah.
Velvet sah dem Fall ihrer tiefschwarzen Flechten stoisch zu, aber Lizzie meinte, hinter dem unbeteiligten Blick ein wütendes Aufflackern der dunklen Augen zu sehen. Mehr Gefühl, als das Mädchen während der ganzen Reise gezeigt hatte.
Anna, Lizzie, Candy und Velvet bezogen gemeinsam mit acht anderen Gefangenen einen Schlafraum. Er erwies sich als geräumig und, wie alles in der Female Factory, makellos sauber.
Die Leiterin ihres Traktes hielt denn auch gleich einen Vortrag darüber, wie sich das gottgefällige Leben der Frauen abspielen würde. So wurde jeden Morgen vor Arbeitsbeginn gemeinsam gebetet und desgleichen am Abend. Der Gefängnisdirektor höchstpersönlich hielt die Gebetsstunden ab, die Wärterinnen inspizierten derweil die Zellen auf Sauberkeit und Ordnung. Die Arbeit begann um sechs und wurde, unterbrochen von den Mahlzeiten und Gebetsstunden, bis Sonnenuntergang fortgeführt. Freizeit gab es nicht.
Immerhin zahlte sich Annas und Lizzies Arbeit auf dem Schiff jetzt aus – ebenso wie Velvets erstklassige Beziehungen zum Master. Alle drei erhielten sofort den Status einer Gefangenen Erster Klasse, was einige Vergünstigungen beinhaltete. So wurden sie zu weniger schwerer Arbeit eingesetzt: Anna erhielt einen Posten auf der Krankenstation, Lizzie und Velvet landeten in der Küche und wurden kaum beaufsichtigt.
»Ihr könntet weglaufen!«, meinte Candy fast ein bisschen neidisch. Sie gehörte zur Zweiten Klasse, aber nach drei Monaten guter Führung konnte auch sie aufsteigen.
Anna schüttelte den Kopf. »Wo sollen wir denn hier hin, Kindchen?«, fragte sie sanft. »Ein Gefängnis,
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