Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
Wache für euch. Ist das was?«
»Woher weißt du …?« Kathleen errötete.
Konnte es sein, dass die frechen kleinen Jungen ihr Stelldichein mit Michael belauscht oder gar beobachtet hatten?
»Der Wächter weiß alles!«, erklärte Jonny wichtig. »Ich wusst sogar, dass du kommst! Und ich weiß, wo Michael auf dich wartet. Komm, ein Teeküchlein aus der Küche vom Herrenhaus … dann sag ich’s dir!«
Kathleen schüttelte den Kopf. »Das brauchst du mir nicht zu sagen, das kann ich mir selbst denken.«
Sie spürte plötzlich ein übermächtiges Verlangen, sich in Michaels Arme zu werfen. Zumal sie ihm wahrscheinlich nicht einmal erzählen musste, was zwischen ihren Eltern und Ralph Trevallion vorgefallen war. Er musste das Treffen belauscht oder davon gehört haben. Es sprach sich ja in Blitzesschnelle herum im Dorf, wenn der Verwalter sich dazu herabließ, eine Pächterfamilie am Sonntag zu besuchen und ihr obendrein Speck mitzubringen. Aber Michael konnte doch nicht glauben … er konnte nicht annehmen, sie hätte der Vereinbarung zugestimmt!
Kathleen fasste einen Entschluss. »Kein Küchlein aus der Küche, Jonny«, verhandelte sie, »aber einen Apfel aus dem Garten des Landlords. Wenn du hierbleibst und dein Wächteramt ernst nimmst. Ich treffe Michael am Fluss – und wenn du irgendwen kommen hörst, machst du die Lärche. Oder vielleicht … kannst du nicht vielleicht einen Vogel nachahmen, der tagsüber singt?«
Nachdem Jonny ihr zugesichert hatte, auch den Kuckuck täuschend ähnlich imitieren zu können, lief Kathleen hinunter zum Fluss. Es war ein sonniger Nachmittag, und der Vartry River zog sich wie ein Strom flüssigen Silbers durch die sattgrüne irische Landschaft. Das Mädchen fand den Weg durch das Schilf am Ufer wie im Schlaf. Niemals hätten die kleinen Jungen sich hier ungehört anschleichen können. Auch Kathleens Annäherung blieb nicht unbemerkt.
»Kathie?«, fragte Michael, noch bevor sie die winzige Bucht erreichte.
»Michael!«
Kathleen wollte sich in die Arme ihres Freundes werfen, aber er umfasste sie nicht mit der üblichen Wärme. Sie holte tief Luft. Sie musste es ihm gleich sagen, nicht, dass er sich wirklich erzürnte.
»Michael, ich hab nichts damit zu tun! Ich geh nicht mit Trevallion!«, versicherte sie ihm. »Niemals! Ich … ich will doch nur dich, Michael!«
Michael sah Kathleen an. Er sah verletzt aus, wütend. Sein Gesicht strahlte nicht wie sonst bei ihrem Anblick, und er hatte auch keine schönen Worte auf den Lippen. Dennoch küsste er Kathleen jetzt – sehr viel härter, sehr viel fordernder als sonst. Das Mädchen erschrak zuerst, aber dann erwiderte es den Kuss mit der gleichen Leidenschaft. Und tatsächlich hatte sich etwas in Michaels Blick verändert, als er danach von Kathleen abließ. Sie sah Übermut in seinen Augen, die Freude an der Herausforderung und dem Kampf.
Einen Herzschlag lang verspürte Kathleen Furcht. Er würde Trevallion doch nicht wirklich fordern?
Aber Michael legte nur die Arme um sie, hob sie wortlos auf und bettete sie in ein Nest aus Schilf und Gras, abgeschirmt von Weidenästen, die so tief hingen, dass nur schemenhaft grünlich goldenes Licht einfiel. Kathleen dachte an die bunten Glasfenster der Kirche und das farbige Leuchten, das während der Messe von ihnen ausstrahlte. Sie dachte an eine Hochzeit.
»Ich will deine Frau sein, Michael!«, versicherte sie ihm noch einmal.
Jetzt, jetzt musste er ihr doch wieder schmeicheln, sie streicheln und küssen …
»Beweis es mir!«, sagte Michael in einem Ton, der ihr fremd war.
Kathleen sah ihn hilflos an. Aber sie wehrte sich dieses Mal nicht, als er begann, ihr Kleid zu öffnen.
Es gab keine Möglichkeit für Kathleen, Ralph Trevallion davon abzubringen, sie nach der sonntäglichen Messe zu begleiten. Sie bemühte sich zwar, ihm keine Umwege zwischen Kirche und Dorf zu erlauben, und ließ nicht von ihren Eltern und Geschwistern, aber das schien den Verwalter nicht zu stören. Er ging artig neben ihr her, sagte ihr ein paar Freundlichkeiten und plauderte mit der Mutter und dem Vater. Für James O’Donnell wurde der Gang durchs Dorf zum Spießrutenlaufen. Die anderen Bauern billigten nicht, dass derSchneider sich mit dem Verwalter unterhielt und womöglich gar plante, familiäre Bande zu schließen.
»Kannst du nicht allein mit dem Mann um das Dorf herumgehen wie die anderen Mädchen mit ihren Galanen?«, fragte O’Donnell seine Tochter scharf, nachdem sie zum dritten Mal
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