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Das Gold des Bischofs

Das Gold des Bischofs

Titel: Das Gold des Bischofs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beaufort
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billigem Mörtel verputzt. Andere, wie das Heim des Tuchhändlers, kündeten von kürzlich erworbenem Wohlstand. Dort waren Bauarbeiten im Gange, um weitere Stockwerke aufzusetzen und die Räumlichkeiten zu erweitern. Manche Häuser besaßen sogar Fenster, die mit echtem Glas versehen waren.
    An einer Seite des Platzes befand sich das Haus von Haymo Stanstede, der Rogers Schwester geheiratet hatte. Seltsamerweise vermittelte es den Eindruck, als würden die Bewohner noch schlafen, obwohl im Westen bereits die Sonne unterging. Es war ein vornehmes Gebäude mit einem schmucken Ziegeldach. Die Tür war grellrot gestrichen, wohingegen die Fensterläden, die gegen die Winterkälte geschlossen waren, ein lebhaftes, aber eigenwilliges Muster in Grün und Gelb hatten. Geoffrey hätte es nicht für das Haus eines Gewürzhändlers gehalten, aber es legte nahe, dass der Besitzer einem Gewerbe nachging, bei dem er viel herumkam und einen entsprechend fremdländischen Geschmack entwickelt hatte.
    Simon hämmerte mit der Faust gegen die Tür, und schließlich öffnete eine Frau, die sich schläfrig die Augen rieb. Sie mochte Anfang zwanzig sein, und ihre rundliche Figur wurde nur spärlich von einem engen Spitzenkleid bedeckt, das Geoffreys Meinung nach kaum dazu geeignet war, die Kälte abzuhalten.
    Roger bedachte sie mit einem anzüglichen Zwinkern. »Guten Morgen, Agnes. Ist meine Schwester da?«
    Â»Roger!«, rief sie und stürzte sich in seine Arme. »Du bist zurück! Die Ungläubigen haben dich nicht getötet?«
    Â»Nein, Mädchen«, erwiderte Roger und begrüßte sie mit einem schmatzenden Kuss, der ihr die Tränen in die Augen trieb. »Aber ich habe eine ganze Menge von ihnen erschlagen. Tausende, würde ich sagen. Aber jetzt lass einen alten Krieger nicht draußen in der Kälte stehen. Lass mich rein und sag meiner Schwester, dass ich und mein Freund bei ihr unterkommen werden.«
    Agnes kreischte empört, als Rogers Hand sich um ihren Leib schlängelte, dann ließ sie ihn mit einem koketten Lächeln eintreten.
    Das Erdgeschoss bestand aus einem Saal mit einer hölzernen Treppenflucht auf der einen Seite. In der Mitte gab es einen Kamin und Tische und Bänke wie in einer Schenke. Die Wände waren in hellen Farben gestrichen, und die Binsen auf dem Boden waren halbwegs sauber. Geoffrey war beeindruckt. Dieses Haus war jedenfalls riesig, und nicht einmal die Burg seines Bruders in Goodrich konnte so viel Raum vorweisen.
    In dem Saal hielten sich etliche Frauen auf. Einige von ihnen trugen kaum mehr als ihre Unterwäsche, und trotzdem schien die überraschende Gegenwart zweier Ritter sie nicht weiter zu beunruhigen. Geoffrey sah ihre gelangweilte Gleichgültigkeit und dann die anzüglichen Wandbilder und erkannte, dass Stanstede möglicherweise auch Gewürze verkaufte, aber nach Einbruch der Dunkelheit ein ganz anderes Gewerbe betrieb. Geoffrey stellte sich Rogers Schwester im Mittelpunkt des ganzen Treibens vor und sah sie als Furcht einflößende Puffmutter mit Haaren am Kinn und einer rauen Hand, die stets bereit war, widerspenstigen Kunden, wenn nötig, Vernunft einzubläuen – genau genommen also ein weibliches Gegenstück zu Roger.
    Â»Eleanor!«, begrüßte Roger die Frau, die soeben die Treppen hinabkam und nachschaute, wer zur Unzeit störte. »Du siehst verdammt noch mal großartig aus, Mädel!«
    So konnte man es auch ausdrücken, befand Geoffrey und starrte auf eine der schönsten Frauen, die er jemals gesehen hatte. Ihr Haar war so dunkel wie das von Roger, beinahe schwarz, allerdings hing es bei ihr in schimmernder Fülle den Rücken herab und war nicht zu schmuddeligen Stoppeln zurechtgestutzt. Ihre Augen hatten einen dunklen Bernsteinton, von dem man nur schwer den Blick lösen konnte, umrahmt von langen Wimpern, die die alabasterweiße Haut betonten. Sie war hochgewachsen, fast so groß wie Geoffrey, aber ihre anmutige Gestalt ließ sie nicht zu groß wirken. Geoffrey war selten um Worte verlegen, und doch war er es jetzt, als er zum ersten Mal Rogers Schwester erblickte.

    Am selben Abend saßen Geoffrey, Roger und Simon an einem langen Eichentisch in der Stube, einem Gemach im Obergeschoss von Eleanors ausgedehntem Haus, weit entfernt von der lärmenden Geschäftigkeit, die der Bordellbetrieb im Erdgeschoss inzwischen verbreitete.

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