Das Gold des Bischofs
übergeben? Ihm war die Vorstellung zuwider, dass der feindselige Simon vom Schatz profitieren könnte. Daher beschloss Geoffrey, später noch einmal über die Angelegenheit nachzudenken und das Pergament einstweilen in seinen Wappenrock zu stecken.
Er ging durch die Küche zurück und wollte eben wieder zum Fenster hinaussteigen, da sah er eine weitere Reihe von FuÃabdrücken, die neben den seinen durch den Garten zum Haus führten. Jemand war ihm gefolgt.
Ihn fröstelte. Eindringlich lauschte er, ob drinnen jemand zu hören war. Das Haus war nicht sehr groÃ, und es wunderte ihn, dass er niemanden hatte eintreten hören. Hatte womöglich Roger seine Zimperlichkeit überwunden und war über die Mauer gestiegen? Aber Roger wäre nicht so lautlos ins Haus geschlichen, er hätte gerufen. Und nicht nur das: Die FuÃabdrücke waren etwa genauso groà wie Geoffreys und viel zu klein für den massigen Ritter.
Verstohlen schlich Geoffrey zurück in die groÃe Stube und hielt nach verräterischen Spuren Ausschau. Das Haus war still wie ein Grab. DrauÃen kreischten fröhliche Kinder, die sich mit Schneebällen bewarfen, und er hörte, wie Roger den Hund für sein Gejaule ausschalt. Roger hatte also nicht gesehen, wie jemand das Haus betrat, sonst wäre er seinem Freund zu Hilfe gekommen und hätte sich nicht mit dem Hund beschäftigt â dessen Heulen allerdings darauf hindeutete, dass er im Gegensatz zu Roger wusste, dass etwas nicht in Ordnung war.
Im Erdgeschoss dieser armseligen Hütte gab es nirgendwo ein Versteck. Geoffrey überprüfte die Nische neben dem Herd und spähte sogar in die ruÃige Finsternis des Kamins hinauf, war aber nicht überrascht, alles leer zu finden. Der Eindringling musste die Treppe hinaufstiegen sein, während Geoffrey die Karte untersucht hatte.
Geoffrey zog den Dolch und schlich ebenfalls nach oben. Ãberrascht stellte er fest, dass die Stufen anständig gezimmert waren und nicht knarrten oder ächzten. Das erklärte zumindest, wie jemand unbemerkt an Geoffrey vorbeigekommen war. Vom oberen Treppenabsatz zweigten zwei Türen ab: Die eine führte zu einem Raum, der auf den rückwärtigen Garten hinausging, die andere zu einer Dachkammer mit tristem Ausblick auf die Gasse vor dem Haus. Beide Türen waren angelehnt.
Geoffrey entschied sich zuerst für das rückwärtige Zimmer. Er trat sorgsam beiseite und drückte mit ausgestrecktem Arm die Tür auf, bis sie flach an der Wand lag. Niemand konnte dahinter versteckt stehen, und der Raum war vollkommen leer, abgesehen von Ãpfeln, die ordentlich auf Leintüchern aufgereiht lagen. Durch das Fenster sah Geoffrey noch dieselben zwei Reihen von FuÃabdrücken, die zum Haus führten: Da die andere Person unmöglich ungesehen durch die Vordertür hätte entschlüpfen können, musste sie noch hier sein. Also blieb als Versteck nur noch die Kammer an der Vorderseite.
Jederzeit auf einen Angriff gefasst, öffnete er die Tür mit der Schwertspitze, so dass er Abstand halten und niemand ihn erschieÃen konnte. Aber kein Pfeil flog ihm entgegen. Es geschah überhaupt nichts, denn der Raum war leer. Das Fenster stand weit offen. Mit einem verärgerten Ausruf stürzte Geoffrey durch das Zimmer und schaute hinaus. Direkt unter ihm kletterte jemand die Mauer hinab. Geoffrey beugte sich vor und erwischte eben noch den Zipfel einer Kapuze. Aber die Gestalt an der Fassade zuckte zurück und riss sich los. Geoffrey war entschlossen, den geheimnisvollen Besucher nicht entkommen zu lassen, und folgte ihm.
Die Erbauer von Simons Haus hatten nicht damit gerechnet, dass die äuÃeren Balken jemals mehrere Männer zu tragen hätten, die darauf herumkletterten. Es gab ein scharfes Krachen, und der Querbalken, an dem sich der Eindringling festhielt, splitterte. Mit einem Schrei lieà er los und fiel mit Armen und Beinen rudernd auf die Gasse. Einen Moment lang glaubte Geoffrey, der Sturz hätte ihn verletzt und man könne ihn fassen. Aber der weiche Schnee hatte den Aufprall gemildert, und der Mann kam auf die FüÃe und lief davon, auch wenn er auf vereisten Pfützen stolperte und rutschte.
»Roger!«, schrie Geoffrey und hoffte, sein Freund würde den Flüchtigen einfangen.
Aber Roger antwortete nicht, und der Mann erreichte das Ende der Gasse. Er würde entkommen, und mit ihm die
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