Das Gold des Columbus
Bobadilla hat ihn freigelassen. Jetzt stell dir vor, dass ausgerechnet der dem Admiral erklärt, dass er ihn leider nicht mitnehmen kann und vorläufig kein anderes Schiff kommen wird. Wenn du als Grumete auf der Barkasse anheuerst, dann kannst du dem Admiral wenigstens sagen, dass ich ihm von Spanien aus ein Schiff schicke. Oder vielleicht doch von hier. Ich habe schon einen Mann damit beauftragt. Was meinst du dazu?«
Pablo überlegte und nickte dann. »Ich werde anbieten, dass ich keine Heuer will, dann nehmen sie mich bestimmt. Und nach Spanien kann ich sowieso nicht.« Er beichtete den Angriff auf den Diener und seinen Herrn. »Er war bestimmt sehr reich. Von Kopf bis Fuß in Samt und Seide gehüllt, mit Goldstickereien.«
»Dann werden die Schiffe vor der Rückfahrt nach Spanien sicher kontrolliert. Hat dich jemand erkannt?«
»Von den Siedlern bestimmt keiner. Ich hab die in meiner Nähe auf den Dicken gestoßen, damit er nicht hochkam. Sie sind alle übereinander gepurzelt. Und dann hab ich eine Münze in die Luft geworfen, nach der haben die anderen am Boden gesucht. Aber Juan kennt mich. Und er hat bestimmt von meiner Mutter gehört, dass ich auf der Capitana war.«
»Dann wird es nicht lange dauern, bis der Gouverneur hinter dir her ist. Er kennt uns beide, er weiß, dass wir den Admiral unterstützen, und es wird ihm ein Vergnügen sein, mir eins auszuwischen. Dann heuerst du besser auf der Barkasse an.« Der Kapitän zwirbelte nachdenklich seinen Schnurrbart. »Und zwar möglichst schnell, denn wahrscheinlich bist du schon Stadtgespräch. Jungen mit so vielen Sommersprossen wie du sind ziemlich selten, jedenfalls prügeln sie keine Reichen.«
Noch am selben Nachmittag packte Pablo sein Bündel, zog die abgelegten Kleider eines Dieners an und nahm Abschied von Diego Méndez.
»Gott möge Seine Hand über dich halten, bis wir uns wiedersehen, mein Sohn«, sagte der Kapitän nur. Er zog eine Kette mit einem dicken goldenen Medaillon von seinem Hals und hängte sie Pablo um. Er hatte sie zu seiner ersten heiligen Kommunion bekommen und noch nie abgenommen, das wusste der Junge. »Die Mutter Gottes von Guadelupe 82 wird dich beschützen.«
Es dauerte lange, ehe Pablo an diesem Abend einschlief. Zehn Monate lang hatte er in einem Bett gelegen und musste sich an die harten Planken erst wieder gewöhnen. Er hörte das leise Plätschern der Wellen gegen den Rumpf, spürte das leichte Schaukeln der Barkasse, atmete den strengen Geruch nach Teer, Bilgensumpf, Holz. Er war wieder auf einem Schiff.
Solange er denken konnte, hatte er davon geträumt, ein Seemann zu werden. Dann hatte er auf der Capitana angeheuert und hatte mehr Abenteuer erlebt, als er sich je vorgestellt hatte. Jetzt war er zu einem neuen Abenteuer aufgebrochen - warum bloß wollte sich das erwartete Glücksgefühl nicht einstellen? Warum erfüllte ihn eine beklemmende Vorahnung kommenden Unglücks?
Seine Unruhe steigerte sich, bis sie fast zu einem körperlichen Schmerz wurde, während er sich von einer Seite auf die andere wälzte und keine richtige Lage fand. Einmal huschten Ratten an ihm vorbei, schlüpften durch die Ruderpforten und sprangen platschend ins Wasser. Sie verlassen das Schiff, dachte er. Ich bin tatsächlich ein echter Seemann. Ich bin abergläubisch.
Irgendwann schlief Pablo doch ein und wurde von einer durchdringenden Stimme geweckt: »Bendita sea la luz y la Santa Veracruz...« 83
Das war das Lied der ersten Morgenwache. Die Barkasse wurde startklar gemacht. Sobald Diego de Escobar mit einigen Begleitern an Bord gerudert worden war, rauschte sie mit vollen Segeln aus dem Hafen von Santo Domingo und nahm Kurs auf Jamaica.
Da hatte sich Pablo schon im Laderaum verkrochen - unter dem Vorwand, ins Rutschen gekommene Fässer und Kisten neu zu stapeln. Er tauchte während seiner ganzen Wache nicht wieder auf. Denn er wusste jetzt, dass ihn seine Vorahnung nicht getrogen hatte. In der Begleitung Don Diegos befand sich der Dicke aus der Hängematte, der ihn mit vorquellenden Augen angestarrt hatte, als Pablo ihm sein Taschentuch in den Mund gestopft hatte.
Bevor der Junge wieder an Deck kletterte, umfasste er sein Amulett und schickte ein Stoßgebet zur Mutter Gottes von Guadelupe. Und tatsächlich waren weder Don Diego noch sein Gast zu sehen. Aus der winzigen Kajüte klangen grölende Stimmen und Gläserklirren. Pablo schöpfte Hoffnung. Vielleicht saufen sie die ganze Zeit, dachte er. Oder es kommt ein Sturm und sie
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