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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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dem Mann, der sie so erleichtert begrüßt hatte.
    Im Haus gab es keine Treppen; eine dünne Leiter führte hinauf zum oberen Geschoß, das aus zwei großen kahlen Räumen bestand. In der letzten Ecke des hinteren Zimmers stand eine weitere Leiter, gleich neben dem stinkenden Sitzbottich. Der Mann knurrte etwas, nahm die Leiter, stieg hinauf und schob einen Riegel zurück. Die Klappe öffnete sich nach oben, fiel mit leisem Poltern auf das Dach.
    Bomilkar folgte dem Mann, steckte zunächst nur den Kopf durch die Öffnung, sah sich um. Erst, als er sicher war, daß dort oben niemand mit einer Waffe lauerte, stieg er hinaus und befahl den anderen leise, nachzukommen.
    Das flache Dach war voller Gerümpel – zerbrochene Möbel, Scherben, Ziegelsteine. Eine unfertige Mauer sollte irgendwann wohl die Grenze zum Dach des Nachbarhauses bilden.
    Ein leiser Pfiff. Auf der anderen Seite der Gasse hatten Laetilius und seine Leute ebenfalls das Dach erreicht. Mondlicht blinkte auf Schwertklingen und Speerspitzen. Im Nordwesten begann die Schwärze einer Wolkenmasse die Sterne zu fressen, über dem Byrsahügel. Aufkommender Wind zupfte an Bomilkars Haaren; er barg eine Ahnung von Salz.
    Das Nebenhaus war ein wenig niedriger. Dort schien man das Dach als Schlafraum zu nutzen. Liegen, Kissen und Decken zwangen die Männer zu einem Hindernisrennen;
die Bewohner saßen vermutlich zusammengekauert in einem der Innenräume.
    Das nächste Haus: höher. Sie mußten klettern, eine Zisterne umrunden, über ein schmales schwankendes Brett laufen, das zum vier Schritt entfernten Nachbarhaus führte. Dort schreckten sie ein Pärchen auf, das entweder die Gefahr nicht bemerkt hatte oder für beendet hielt.
    Weiter, weiter. Anfangs versuchte Bomilkar, sich den Weg, die Hindernisse und die Anzahl der Häuser zu merken, gab es aber bald auf; es war sinnvoller, Hindernissen auszuweichen und nach Gegnern Ausschau zu halten, die hinter jedem Mauervorsprung, in jeder Schattenpfütze lauern mochten. Ein jäh vor ihm aufflatternder Nachtvogel ließ ihn zusammenzucken; das eigene Keuchen, die Geräusche, die die anderen machten, Mondlichtflecken und der Geruch von Schweiß, ferner See, bewohnten Häusern und umgestürzten Nachteimern auf bröckelnden Ziegeln vermengten und verflochten sich zu einem seltsamen Netz – geknüpft aus Nachtsträhnen, getaucht in Menschensud –, in dem sie alle in Ewigkeit zappeln, klettern, rennen würden, ohne je die eine zerrissene Masche zu finden, die die Flucht in den Tag erlaubte.
    Dann hörte er links voraus den gurgelnden Schrei, sah den Pfeil, der die Sehne des Maken verlassen hatte, in der Kehle des Mannes stecken, der den Speer nicht mehr werfen konnte.
    Plötzlich war alles finster. Die vom Nordwestwind geschobenen Wolken verdeckten den Mond. In der winzigen Zeitspanne, die Bomilkars Augen brauchten, um sich ans Dunkel zu gewöhnen, brachen die Dämonen der Schwärze los, mit Geheul und Gekreisch und Geklirr.
    Später, als sie Kenntnisse und Eindrücke austauschten, wirre Einzelheiten zusammensetzten, wurde aus all dem ein überschaubarer Vorgang. Der Wächter auf dem Dach hatte an der Wand der Zisterne gelehnt; er konnte nur nach rechts (zur Byrsamauer), nach links (auf die Gasse) und
nach vorn in die Richtung schauen, aus der Laetilius kam. Vielleicht war er unaufmerksam gewesen. Sie waren schnell und leise vorgegangen, gedeckt durch Zisternen, Mauern und Schatten, aber allen kam es so vor, als wären sie sehr laut gewesen. Der Speerträger hatte sie spät gesehen und nicht gleich geschrien. Vom Pfeil des Maken getroffen, stürzte er die Treppe hinab, hinderte die anderen im Haus daran, aufs Dach zu stürmen. Als Laetilius es erreichte, waren die Besetzer des Hauses noch dabei, ihn beiseite zu zerren. Es schien sich um eine Resttruppe zu handeln, die nicht damit rechnete, von zwei Seiten angegriffen zu werden.
    Der Kampf war kurz. Sie hatten einige leichte Verletzungen zu versorgen und machten keine Gefangenen – die Besetzer zogen sich zurück und verschwanden durch eine Abwasserröhre. Nur der eine Tote mit dem Pfeil in der Kehle blieb zurück.
    Und Blut. Sehr viel Blut. Als sie mit Fackeln das Haus durchstreiften, fanden sie überall Spuren eines sehr harten Kampfes. Aber keine Toten; das Haus war leer.
    Nach und nach kamen weitere Nachtstreifen ins Viertel, durch Kameraden herbeigeholt, die Bomilkar losschickte; zuletzt tauchten – verschlafen, mürrisch, gleichzeitig aber begierig darauf, etwas zu tun

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