Das Gold von Sparta
er auf eine französische Kadettenschule geschickt – Brienne-la-Château in der Nähe von Troyes. Dort lernte er einen Jungen namens Arnaud Laurent kennen, dann wurden sie Freunde – und zwar blieben sie es während ihrer gesamten Zeit auf der École Royale Militaire, dann auch auf der Artillerieschule und so weiter bis hin zu Waterloo. Dem Autor zufolge war Laurent bis Mitte der 1790er, also kurz vor dem Italienfeldzug, Napoleon immer um einen militärischen Rang voraus. Es hieß, privat oder in vertrauter Gesellschaft habe Napoleon Laurent scherzhaft Major genannt. Napoleon hatte im Laufe der Jahre viele Vertraute, aber niemanden, der ihm so nahe gestanden haben muss wie Laurent.«
»Gibt es irgendeinen Nachlass?«, fragte Sam. »Zum Beispiel eine Arnaud-Laurent-Bibliothek oder so was Ähnliches?«
»Nichts dergleichen. Es gibt allgemein nicht viel über Laurent, aber soweit ich weiß, wurde er, als er 1825, vier Jahre nach Napoleon Bonaparte, starb, mit einem Objekt beerdigt, das man als das wertvollste Stück in seinem Besitz bezeichnet hat.«
»Was, mit ein wenig Glück, ein allerliebster Dechiffrierungsring sein wird«, sagte Sam.
»Oder ein Dechiffrierungsbuch«, fügte Remi hinzu. »Selma, wo ist er beerdigt?«
»Nachdem seine Armee in Waterloo vernichtet wurde, ist Napoleons Kapitulation an Bord der HMS Bellerophon angenommen worden. Zugegen war Napoleons gesamter Stab, zu dem, wie ich vermute, auch Laurent gehörte, der damals sein führender militärischer Berater war. Anschließend segelte die Bellerophon nach Plymouth, wo, nach einer Wartezeit von zwei Wochen, Napoleon – diesmal aber ganz allein, ohne seinen Stab – zu seiner letzten Reise nach Sankt Helena auf die HMS Northumberland gebracht wurde. Als Laurent starb, bat seine Witwe, Marie, die Engländer um Erlaubnis, ihn auf Sankt Helena neben Napoleon zu beerdigen. Doch sie haben abgelehnt. Daher tat sie das, was sie für das Zweitbeste hielt: Sie bettete ihn auf Elba zur ewigen Ruhe.«
»Seltsam«, sagte Remi.
»Es ist poetisch«, widersprach Sam. »Laurents General, sein bester Freund, war im Exil gestorben und beerdigt worden. Seine Witwe hatte einen Ort …«, Sam suchte nach dem richtigen Wort, »voller symbolischer Solidarität ausgewählt.«
Remi musterte ihren Mann mit großen Augen. »Das ist wunderschön, Sam.«
»Ja, ja, ich habe schon so meine großen Momente. Selma, Napoleons sterbliche Überreste … wurden sie nicht von Sankt Helena weggebracht?«
»Das wurden sie. Auch das ist eine ganz eigene interessante Geschichte. 1830 wurden die Bourbonen, die nach Napoleons Niederlage in Waterloo den Thron bestiegen, ihrerseits von der Dynastie der Orléans gestürzt. Sie hegten um einiges nostalgischere Gefühle für Napoleon und fragten die Engländer, ob sie ihn nach Hause bringen dürften. Nach sieben Jahren intensiver Verhandlungen willigten die Briten schließlich ein: Die sterblichen Überreste wurden also auf Sankt Helena eingesammelt und nach Paris gebracht. Sein offizielles Grab befindet sich unter der Kuppel des Invalidendoms.
Laurents Grab liegt aber nach wie vor auf Elba – eigentlich ist es sogar eine Gruft. Die Frage ist jetzt nur: Wie wollen Sie vorgehen? Ich nehme an, Sie werden es nach Möglichkeit vermeiden wollen einzubrechen und sich wie Grabräuber aufzuführen.«
»Das wäre der Idealfall«, sagte Sam.
»Dann müssen Sie sich eine Erlaubnis besorgen. Und wie das Glück es will, hat Laurent eine um vier oder fünf Ecken verwandte … tja, am ehesten wohl eine Art Enkelin, die in Monaco lebt.«
»Ah, Monaco im Frühling«, murmelte Sam. »Wie könnten wir da nein sagen?«
»Das können wir auf keinen Fall«, stimmte ihm Remi sofort zu.
22
Fürstentum Monaco, französische Riviera
Sam lenkte ihren gemieteten olivgrünen Porsche Cayenne SUV die mit Fliederbäumen gesäumte Zufahrt hinunter und stoppte vor einer vierstöckigen schneeweißen und mit Terrakotta gedeckten Villa, die eine Aussicht auf das Meer vor der Pointe de la Veille bot.
Wie sich herausstellte, war Arnaud Laurents entfernte Enkelin, Yvette Fournier-Desmarais, unerhört reich, da sie nach dem Tod ihres Mannes dessen Beteiligungen an zahlreichen monegassischen Unternehmen, darunter waren ein halbes Dutzend Strandhotels, Motorsportclubs und Renngemeinschaften, geerbt hatte. Den Klatschspalten zufolge war sie, und zwar mit fünfundfünfzig Jahren, Monacos begehrteste Junggesellin, der seit dem Tod ihres Mannes vor fünfzehn Jahren von
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