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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Silber. Er betrachtete sie genauer und spürte, wie seine Hände
feucht wurden. Auf der Vorderseite trug sie im Halbrelief das Heidelberger
Schloß. Auf der Rückseite waren die Initialen eingraviert: E. B. Er drückte auf
die Feder des Verschlusses.
    Der Deckel sprang auf. Ein
lieblicher Dreiklang ertönte. Die Zigarettendose spielte: Ich hab’ mein Herz in
Heidelberg verloren...
    Philipp schloß den Deckel. Das
Spielwerk verstummte jäh. Er drehte das Kästchen um und betrachtete noch einmal
die Initialen auf der Rückseite. Er spürte, wie seine Lippen pelzig wurden. Der
Hals schnürte sich ihm zusammen.
    E. B., wer ist E. B.?
    Es fiel ihm wie Schuppen von
den Augen. Durch das Brausen in seinen Ohren hörte er die Stimme seiner Mutter.
Es waren die Worte, die sie an jenem Abend nach seiner Rückkehr aus Amerika zu
ihm gesprochen hatte. Als sie ihm die Zigarettendose zeigte, die auf der
Vorderseite das Heidelberger Schloß trug und auf der Rückseite die Initialen »M
d G— Marcel de Grandlieu«.
    »Marcel hat das Pendant«, hatte
seine Mutter gesagt, »mit den Anfangsbuchstaben meines Mädchennamens: E B -
Elisabeth Bertram.«
     
    Leboss dirigierte die
»L’Hirondelle« an die Mole von Saint-Tropez. Er hatte nicht die geringste Lust,
jetzt auf die Insel zurückzukehren. Es hatte nur Ärger gegeben auf der Fahrt.
Seine Leute hatten ganz La Tour Fondue auf den Kopf gestellt. Sie hatten die
Fischer abwechselnd bedroht und geschmiert. Zuckerbrot und Peitsche, Peitsche
und Zuckerbrot— es war alles vergeblich gewesen. Die Fischer hatten vorgegeben,
nichts zu wissen. Vielleicht wußten sie wirklich nichts. Jedenfalls hatte man
nicht in Erfahrung bringen können, wohin dieser Engel mit seinem Boot
verschwunden war.
    Leboss lehnte die Gangway ab,
die man für ihn auslegen wollte. Er sprang mit einem federnden Satz auf die
Mole. Um den Motorenlärm zu übertönen, brüllte er: »Corbeau, guckt noch mal in
Maxime vorbei und in Raphael. Vielleicht wissen die Jungens dort was.«
    Corbeau legte die Hand an seine
vergammelte Schiffermütze. Saint-Jean, der Fotograf, stand neben ihm und machte
ein mißmutiges Gesicht.
    »Wenn ihr ihn habt,
telegrafiert ins ›Pinède‹. Ich bleibe dort über Macht. Aber keine
Eigenmächtigkeiten, verstanden? Ich will ihn lebend.«
    Corbeau legte die Hand an die
Mütze.
    Leboss sah der »L’Hirondelle«
nach, wie sie langsam im Morgendunst versank. Er war erleichtert und besorgt
zugleich. Wenn sie Engel geschnappt hätten, hätte er nichts mehr für ihn tun
können. Sie hätten ihn im Swimming-pool der Jacht ertränkt, eine Badehose
angezogen und nachts in der Nähe eines Seebads über Bord geworfen.
    Die großen Raubmöwen
umflatterten ihn kreischend. Er schmiß seine Zigarette in das ölglänzende
Wasser, wandte sich ab und schlenderte in Richtung der Plage de la
Bouillabaisse. Er war erleichtert, daß es zu dieser dreckigen Geschichte nicht
gekommen war. Und er war besorgt, daß Engel noch frei herumlief. Ein eiskalter
Bursche, dachte er. Absolute Spitzenklasse, behielt in jeder Situation die
Übersicht, seine Einfälle grenzten ans Genialische.
    »Könnten von mir sein«, sagte
Leboss und kämpfte sich gegen den Wind vorwärts. Er bewunderte den Burschen
insgeheim. Klar, daß hinter ihm eine Organisation stand. Doch was wollten sie?
Was? Was? Seit Tagen zermarterte er sich vergeblich das Hirn.
    Am alten Jachthafen war noch
viel los um diese Zeit. Unter den bunten Markisen der Cafés standen die Kellner
in Gruppen und schwatzten. Die nach Hunderten zählenden leeren Stühle und
Tische gaben dem Platz das Aussehen einer Theaterkulisse, die auf die
abendlichen Hauptdarsteller wartete. Leboss ließ sich neben einem Oleanderkübel
nieder und bestellte einen Whisky.
    »Wie geht’s auf der Insel,
Monsieur Leboss?« fragte der Kellner.
    »Geht so.«
    »Viele Touristen?«
    »Nicht viele. Bringen Sie mir
die Zeitungen.« Leboss war nicht aufgelegt zu einem Plausch, und der Kellner
zog ab.
    Er las die Sportberichte im »Le
Monde«. Im »Figaro« studierte er den Lokalteil. Lokales interessierte ihn wie
die meisten Menschen mehr als die große Weltpolitik.
    Noch wichtiger waren nur noch
die »Kleinen Anzeigen«. Als er die Seite aufschlug, fiel ihm die Annonce sofort
ins Auge. Sie war fettgedruckt und mit einem schwarzen Querbalken versehen. Der
Text lautete: Hallo, Phipps! Mrs. M. E. hat ihre Anzeige zurückgezogen. Du
bist unschuldig. Das weiß jetzt auch die Polizei. Bitte, komm sofort zurück

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