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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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vergaß es, wenn man ihre Augen
sah. Es waren nußbraune Augen, groß wie Sterne, leuchtend. Sie sah lieb aus,
ja, lieb, das traf es. Er hätte schwören können, sie nie in seinem Leben
gesehen zu haben. Das wollte nichts heißen. Er hatte viele Frauen gekannt in
seinem Leben, zu viele, hatte zu viele Affären gehabt, hatte zu viele
Treueschwüre geschworen, die dann zu Meineiden geworden waren. Trotzdem, diese
Frau dort kannte er nicht, hatte er nie gekannt.
    »Ich kenne Sie nicht, Madame«,
sagte er schroff. »Außerdem würde ich so was nie gesagt haben.«
    »Was?«
    »Das mit dem Mond, und daß ich
ihn herunterholen wollte. Das ist der reinste Kitsch.« Er trat einen halben
Schritt zurück.
    »Damals warst du so kitschig,
Marcel.«
    Er sah ruckartig auf. Woher
wußte sie seinen Vornamen? Einen Namen, den er schon seit so vielen Jahren
abgelegt hatte. Zusammen mit dem anderen. Er hieß jetzt Félicien, Félicien,
Félicien Leboss.
    »Marcel«, sagte sie, »Bibou!«
    »Bibou«, wann hatte er das je
gehört, diesen Kosenamen, die Verbalhornung von »Bijou«, »das Juwel«? Plötzlich
zerriß der Vorhang, den er vor seine Vergangenheit gezogen hatte. Die Bilder
wurden scharf.
    Er sah sich als Student, in
einer alten verwinkelten Stadt, da war ein Fluß, Berge, ein Schloß, ein junges
Mädchen in einem Dirndlkleid. Wie lange war das her, fünfzig Jahre, hundert
Jahre, war es je passiert, oder hatte er es nur geträumt? Und da war eine
Melodie, ein Lied, sie schwebte über allem, sein Mund versuchte die Worte zu
formen, wie jemand, der jahrzehntelang stumm gewesen war.
    »Ich hab’ mein Herz in
Heidelberg verloren«, sagte sie, als habe sie seine Gedanken gelesen.
    »Ja«, sagte er, »das war das
Lied.«
    »Wir haben es oft gesungen. Und
du hast oft darüber gespottet. Weil du es zu sentimental fandest.«
    Er schritt wie ein
Schlafwandler durch den Raum. Wie ein Sturzbach überfluteten ihn die
Erinnerungen. Das Lied, dieses Lied wurde zum Sesam-öffne-dich zu seiner
Vergangenheit. Die Verse waren hinabgesunken in den Brunnen der Vergessenheit.
Und jetzt..., jetzt kannte er wieder jede Zeile. »Es war an einem Abend, als
ich kaum zwanzig Jahr. Da küßt ich rote Lippen und goldnes blondes Haar. Die
Nacht war blau und selig, der Neckar silberklar, da wußte ich, da wußte ich,
woran ich war.« Er wandte sich zu ihr: »War es so richtig, Lisette?«
    »Ja«, sagte »Lisette« beinah
feierlich. Elisabeth, diesen deutschen Namen hatte er nie recht gemocht.
    Er nahm sie in seine Arme und
küßte sanft ihre Stirn. »Lisette«, sagte er noch einmal. Er fragte sie nicht,
wie sie hierhergekommen war. Er vergaß, warum er zu ihr gekommen war. Er ließ
eine Flasche Champagner bringen. Sie unternahmen eine lange Reise in die
Vergangenheit. Eine Reise, deren Stationen alle Weißt-du-noch hießen.
    »Wie ist es dir ergangen? Seit
damals? Es war ein großer Krieg.«
    »Ich bin durchgekommen.«
    »Du wolltest immer Präsident
der Republik werden. Bist du es geworden?«
    »Nicht ganz.«
    »Und was machst du? Du sprachst
vorhin von Blumen oder so was.« Sie mußte lachen. »Oder war das wieder einer
der alten Scherze? Du warst schon ein bißchen komisch vorhin. Hast du
vielleicht wirklich eine Gärtnerei?«
    »Nicht direkt, Lisette, nicht
direkt.« Er wollte vom Thema ablenken. »Was machst du also?«
    Sie ist hartnäckig, dachte er,
sie hat sich nicht geändert. »Weißt du, ich mache da ein bißchen in Tourismus.
Genauer gesagt, ich verwalte eine Insel, die sehr viel von Touristen besucht
wird.«
    »Du wirst sie mir zeigen, deine
Insel?«
    »Ja, das heißt, nein. Es ist
nicht viel los, weißt du, es ist eigentlich überhaupt nichts los. Ich verstehe
die Leute nicht, eine alte vergammelte Burg steht drauf, das ist alles, aber
die Amerikaner, na, du weißt es ja von Heidelberg, wenn die so was sehen, dann
sind sie weg.«
    »Wo ist sie denn, deine Insel?«
fragte sie, neugierig geworden.
    »Reden wir nicht zuviel von mir.
Erzähl mir lieber, was du gemacht hast. Mein Gott, das ist ja nun ein
Menschenalter her.« Er griff nach der Champagnerflasche.
    »Ja, es ist lange her, Marcel.«
Sie wunderte sich, wie stark seine Hand zitterte, als er Champagner nachgoß.
    »Was machst du? Erzähle! Und
vor allen Dingen, wie kommst du hierher, nach Nizza, und ausgerechnet ins
›Negresco‹? Es scheint dir nicht schlechtzugehen. Sag einmal, Lisette, bist du
eigentlich noch verheiratet, ich meine, mit demselben von damals, der war doch
Beamter oder so

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