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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war überflüssig, aber keiner empfand das. Sein mädchenhaftes, vom Blondhaar eingerahmtes Gesicht war leer von Empfindungen.
    »Ob sie das nur bei Thuy kann?« fragte er leise in die Stille hinein.
    Dr. Starke zuckte zusammen. »Was sagen Sie da, Herbert?«
    »Wenn es nur bei Thuy geht, Herr Doktor …«
    »Potz Donner, das ist ein fast genialer Gedanke! Herbert, wie kommen Sie darauf?«
    »Er fiel mir gerade ein.«
    »Das müssen wir nachprüfen.« Dr. Starke war wie aus einer Lähmung erwacht. »Fred, das müssen wir unbedingt machen! Das kann wirklich nur ein einmaliges Ereignis sein. Thuy ist vielleicht ein einmaliges Medium für Ut, bei allen anderen versagt sie. Das müssen wir wissen! In der PSI-Literatur sind solche Phänomene beschrieben. Bisher habe ich alle Berichte darüber als Humbug abgetan …«
    »Sie hat auch ihrem Mann Dang die Schmerzen weggenommen. Sie hat durch Handauflegen seine Wunden schnell heilen lassen, Bißwunden eines Jaguars. Zugegeben unter Mithilfe dieses Breis aus Blättern und Wurzeln. Ich habe immer viel von dieser Naturmedizin der alten Völker gehalten. Nur unsere Chemiker rümpfen die Nase. Was nicht aus den Retorten kommt, kann nichts sein. Aber da sind auch bei Dang die weggeworfenen Schmerzen.«
    »Ich schlage vor, Ut mit anderen Kranken zu konfrontieren.« Dr. Starke ließ wieder seine Fingergelenke knacken. »Wenn sie auch bei anderen die Schmerzen wegstreichelt, lasse ich mich überzeugen.«
    »Wovon?« fragte Anneliese.
    »Daß wir Menschen unvollkommen sind, entsetzlich, erschreckend, alarmierend unvollkommen.« Dr. Starke holte tief Atem. »Es ist niederschmetternd.«
    Pitz kam mit dem Cognac, auf einem Tablett, und verteilte die Gläser. »Der Kaffee kommt sofort. Läuft durch die Maschine!« rief er. »Ich habe gedacht, der Cognac ist am wichtigsten.«
    »Jetzt doppelt.« Dr. Herbergh hob sein Glas. »Auf diese einmalige Stunde, meine Dame, meine Herren. Die Liberty of Sea wird in mehrfacher Hinsicht Geschichte machen. Kein Grund zum Beifall – man wird uns auf der ganzen Wegstrecke das Leben schwer machen.«
    Und das glaubte auch Dr. Starke ohne Widerspruch.
    Ein Brief des Matrosen Herbert v. Starkenburg an seine Mutter.
    Mein geliebtes, kleines Muttchen!
    Wenn ich den Brief numeriere und ihn Nr. 2 nenne, dann deshalb , weil an Bord soviel geschehen ist, daß ich es niederschreiben und Dir erzählen muß. Da auch dieser Brief erst in einigen Wochen von Manila abgeht und vielleicht zusammen mit dem ersten Brief bei Dir ankommt und möglicherweise noch ein dritter Brief geschrieben wird, ordne sie nach den Nummern, dann hast Du einen besseren Überblick. Ich versende jeden mit einem extra Kuvert. Man weiß, wie viele Briefe verlorengehen. So wird wenigstens einer ankommen. Alle können nicht verschwin den.
    Das Leben an Bord entwickelt sich, wie es sich zwangsläufig ergibt, wo Menschen auf engem Raum – und ein Schiff ist eng, Muttchen – perma nent zusammen sind. Das heißt: Neid, Mißgunst, Frustration, Bespitzelung, Verdächtigungen, sexuelle Sehnsüchte, Eifersucht machen uns ganz schön zu schaffen. Nur empfinden es die anderen nicht so feinner vig wie ich.
    Du weißt, mein Muttchen, daß meine Sensibilität immer sehr ausge prägt war. Hier auf dem Schiff reagiere ich wie ein Seismograph auf alle noch so leisen menschlichen Schwingungen. Ich sehe und spüre mehr als alle anderen Menschen.
    Da ist Franz Stellinger. Unser Oberbootsmann. Oft ein Rüpel, aber mit goldenem Herzen. Er liebt ein Vietnam-Mädchen, das wir vor einer Woche aufgefischt haben, ich habe es Dir im ersten Brief erzählt. Halbtote haben wir an Bord gebracht, und darunter war auch Kim Thu Mai. Sie ist wirklich eine kleine Schönheit, so wie man sie gemalt auf Fächern sieht. In sie hat sich Stellinger verliebt – der Ausdruck kopflos trifft hier wirklich zu. Er verliert den Blick für seine Umwelt. So sieht er nicht, daß ein junger Vietnamese, Le mit Namen, das Mädchen eben falls liebt und jeden Schritt Stellingers mit haßerfüllten Augen verfolgt.
    Heute abend überraschte ich Le, wie er auf dem Vorderdeck an einem Holzbrett Messerwerfen übte. Er hörte sofort damit auf, als er mich bemerkte, steckte das Messer unter dem Hemd in seinen Hosenbund und verschwand im Unterdeck.
    Warum übt er Messerwerfen? Wohin soll das Messer fliegen? Ich habe Stellinger noch nichts davon gesagt, aber ich werde Le weiter beobachten.
    Mein Freund, Chief Kranzenberger, bereitet mir Sorgen. Er klagt über

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