Das goldene Ufer
bei jedem Schritt an die Balken, die das Deck darüber trugen. Als er die Treppe erreichte, waren Bertrand und seine Helfer längst mit dem Verteilen der Mahlzeiten fertig und hatten das Zwischendeck verlassen. Die Luke war ebenfalls wieder geschlossen worden. Walther wollte sie öffnen und entdeckte, dass sie von außen verriegelt worden war. Ärgerlich klopfte er dagegen.
Es dauerte einige Augenblicke, dann wurde die Luke aufgerissen, und er sah sich einem Matrosen gegenüber, der ihm etliche französische Ausdrücke ins Gesicht schleuderte, die gewiss nicht freundlich gemeint waren. So einfach wollte Walther nicht aufgeben, daher setzte er den rechten Fuß eine Stufe höher, um an Deck zu steigen, und erhielt einen Stoß gegen die Brust, der ihn von der Treppe fegte.
Wütend schrie er den Matrosen an: »Ich will umgehend mit Kapitän Buisson sprechen oder mit Bertrand!«
Statt einer Antwort knallte der Matrose die Luke zu und verriegelte sie wieder von außen.
Um sich herum hörte Walther unterdrücktes Gelächter, aber auch wütende Rufe.
»Die behandeln uns wie Sklaven. Dabei haben wir gutes Geld für die Überfahrt bezahlt!«, sagte die Frau auf Deutsch, die ihm bereits am Vortag aufgefallen war.
»Es ist eine Unverschämtheit! Der Kapitän wird mir einiges zu erklären haben.« Walther war so aufgebracht, dass er überlegte, die Luke mit Gewalt zu öffnen. Doch als er wieder hochsteigen wollte, hielt die Frau ihn zurück.
»Das sollten Sie nicht tun. Mein Nachbar sagt, die Matrosen sind ein rauhes Volk und Sie würden sich nur blaue Flecken und einige Beulen einhandeln.«
»Sie verstehen die französische Sprache?«, fragte Walther erfreut, denn er hoffte, mit ihr nicht mehr nur auf Bertrand oder den Kapitän als Übersetzer angewiesen zu sein.
»Ich komme aus dem Elsass. Dort reden die Leute zwar unter sich Deutsch, aber sie sprechen auch ein wenig Französisch.«
»Sehr gut! Dann können Sie diesen Herrschaften hier an Bord klarmachen, dass sie so mit uns nicht umspringen können.«
»Ich glaube nicht, dass dies viel helfen wird«, meldete sich nun ihr Nachbar zu Wort. Er sprach Deutsch mit einem so starken Dialekt, dass er kaum zu verstehen war.
»Aber wir können uns doch nicht alles gefallen lassen!«, antwortete Walther empört.
»Mein Bruder ist vor zwei Jahren nach New Orleans ausgewandert. Er hat mir geschrieben, wie schrecklich es an Bord gewesen wäre. Der Capitaine ist der Herr über Leben und Tod. Wenn er Sie über Bord werfen lässt und in sein Logbuch schreibt, das wäre wegen versuchter Meuterei geschehen, wird ihn kein Gericht auf der Welt dafür zur Verantwortung ziehen.«
»Das sind ja herrliche Aussichten«, stöhnte Walther. »Übrigens, mein Name ist …« Er zögerte einen Augenblick, weil er drüben in den Vereinigten Staaten wieder seinen eigenen Namen annehmen wollte. Allerdings hatte er seine Passage als Artschwager gebucht, und so stellte er sich mit diesem Namen vor.
Der andere reichte ihm lächelnd die Hand. »Ich bin Martin Jäger aus Ebersheim und das ist meine Nachbarin Gertrude Schüdle. Ich will zu meinem Bruder und sie zu ihrem Mann, der vor zwei Jahren mit meinem Bruder zusammen ausgewandert ist.«
»Ich freue mich, Sie beide getroffen zu haben. Es ist doch leichter, wenn man während der Überfahrt mit anderen reden kann.« Walther erwiderte den Händedruck, während sich sein Zorn über die Behandlung an Bord legte.
»Wenn Sie erlauben, werde ich meiner Frau die gute Nachricht überbringen. Es wird Gisela erleichtern, Sie an Bord zu wissen, Frau Schüdle.«
»Ich bin auch froh darum. Zum einen kann ich das Französische nicht so gut, und zum anderen sind die Leute hier alle aus anderen Departements, und mit deren Dialekten tue ich mich schwer.«
Gertrude Schüdle reichte Walther ebenfalls die Hand und erbot sich, mitzukommen und seine Frau zu begrüßen.
»Mein Nachbar wird es später tun. Es ist hier nicht ratsam, das Gepäck allein zu lassen!« Bei diesen Worten streifte ein verächtlicher Blick den Kerl, der am Vortag lange Finger gemacht hatte.
»Er sollte es nicht bei uns versuchen«, antwortete Walther leise und führte Gertrude zu Gisela, die inzwischen ihren Hungeranfall überwunden hatte und der fremden Frau interessiert entgegensah.
»Unsere Mitreisende ist Elsässerin und kann daher Deutsch. Ich dachte, es würde dir gefallen, dich mit ihr zu unterhalten«, erklärte Walther.
»Und ob es mir gefällt!« Gisela stand auf, musste sich aber
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