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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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darstellte. Zwar hatte er die Kerle, die Walther und Gisela überfallen wollten, nur kurz gesehen, doch von denen war keiner unter den Opfern gewesen.

10.
    D ie Tatsache, dass er den Auftakt gegeben hatte, die Wehrlosen abzuschlachten, und auch mindestens eins der Kinder auf dem Gewissen hatte, hinderte Diebold nicht daran, sich im Dorfkrug als großer Held aufzuspielen.
    Da es nicht bei einem Krug Bier blieb, bauschte er die Jagd immer mehr auf. Zuletzt tat der junge Renitz gerade so, als hätte er mit wenigen Männern ein ganzes Heer von üblen Landstreichern niederkämpfen müssen. Die übrigen Teilnehmer der Jagd stimmten Diebold lautstark zu und strichen seine Taten besonders heraus, um ihm zu schmeicheln.
    Als Förster Stoppel, der die Toten zum Kirchhof gebracht hatte, hinzukam, verzog er verächtlich das Gesicht und lehnte den Bierkrug, den ihm die Wirtsmagd reichen wollte, entschieden ab.
    Diebold beäugte den Förster misstrauisch. Obwohl er bereits betrunken war, bemerkte er Stoppels kalten Blick und begriff, dass der Förster ihn mit einem einzigen Satz als jemand hinstellen konnte, der einer Frau aus dem Hinterhalt in den Rücken geschossen und auch auf ein Kind gefeuert hatte.
    In dieser Stunde schwor der junge Renitz sich, dafür zu sorgen, dass der Förster in Schimpf und Schande davongejagt würde, wenn dieser nur ein falsches Wort über diese Begebenheit verlauten ließe. Dann wandte er sich erneut seinen Trinkkumpanen zu und ließ sich feiern. Als ihm die Wirtsmagd zu später Stunde zuraunte, dass sie nichts gegen ein zärtliches Stündchen mit ihm hätte, war für Diebold die Welt so schön wie seit Monaten nicht mehr.

11.
    D ie blutig geendete Jagd auf die Landstreicher hatte Graf Renitz den Aufenthalt im Schloss seiner Ahnen verleidet, daher forderte er Frau Frähmke noch am selben Abend auf, alles für Giselas Abreise vorzubereiten.
    Bislang hatte die Mamsell angenommen, ihr Herr würde das Mädchen erst Tage später in die Stadt bringen. Sie sagte jedoch nichts, sondern ließ das, was das Kind benötigte, von den Mägden zusammentragen und suchte zuletzt nach dem Mädchen.
    Gisela half Cäcilie in der Küche, das Abendessen vorzubereiten. Von Walther war nichts zu sehen, aber Frau Frähmke hörte draußen seine Stimme. Wie es aussah, kümmerte er sich wieder einmal um das Holz. Vor dieser Arbeit drückten sich die Mägde, so gut es ging, und die Knechte hielten sie für unter ihrer Würde. Er ist ein guter Junge, dachte die Mamsell nicht zum ersten Mal. Dennoch war sie ganz froh, dass Gisela ein paar Monate in der Ferne weilen würde, denn die beiden steckten einfach zu oft zusammen. Noch war alles harmlos, doch in ein oder zwei Jahren würde Walther sich stärker für den Unterschied zwischen Mann und Frau interessieren, und sie wollte nicht, dass dann etwas Ungehöriges zwischen ihm und dem Mädchen geschah.
    »In den nächsten Monaten wirst du auf deine fleißige Helferin verzichten müssen«, sprach Frau Frähmke die Köchin an.
    Verwundert drehte Cäcilie sich zu ihr um. »Wieso denn?«
    »Der Herr Graf hat beschlossen, Gisela bereits morgen nach Hildesheim zu bringen. Dort soll das Mädchen, Gott sei’s geklagt, bei Katholiken leben und ihren Aberglauben lernen.«
    »Morgen schon?« Gisela presste ihre Rechte auf die Brust, in der ihr Herz plötzlich laut und hart klopfte.
    Auch wenn Frau Frähmke manchmal harsch sein konnte, war sie nie ungerecht zu ihr, und in der Köchin hatte sie sogar eine Freundin gefunden. Und dann gab es auch noch Walther. Diese drei Menschen meinten es gut mit ihr, und nun sollte sie sie verlassen, um mit fremden Menschen Weihnachten zu feiern. Am liebsten hätte sie sich geweigert, doch Graf Renitz kam für alle hier gleich nach dem lieben Gott, und wenn er etwas befahl, musste es genau so geschehen.
    »Ihr vergesst mich aber nicht!«, flüsterte sie, während ihr die Tränen in die Augen stiegen.
    »Wie sollten wir dich vergessen, Kleines? Die Zeit wird auch vergehen, und Ostern feiern wir dann zusammen!« Cäcilie hatte Gisela mit diesen Worten trösten wollen, doch das Mädchen hatte nicht vergessen, dass sie Renitz’ Worten zufolge auch dieses Fest in der Stadt erleben sollte.
    »Komm jetzt! Du musst deine Sachen zusammenpacken. Ich gebe dir noch einen guten Mantel, damit die Stadtleute nicht denken, du wärst ein Bettelkind.« Die Mamsell fasste Gisela am Arm und zog sie mit sich.
    Als das Mädchen sich mit nassen Augen zur Köchin umschaute,

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