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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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der schwarz gewandeten Klosterfrau ihre Mutter neben ihr und lächle ihr zu. Ihr stiegen die Tränen in die Augen, und sie schwor sich, dem katholischen Glauben treu zu bleiben, was auch immer geschehen mochte, denn er war das letzte und innigste Vermächtnis ihrer Mutter.

15.
    A uch auf Renitz wurde Weihnachten gefeiert, doch eine frohe Stimmung wollte sich nicht einstellen. Dies lag nicht zuletzt daran, dass der Graf und seine Gemahlin wegen der Gestaltung der Feier in Streit geraten waren und Gräfin Elfreda sich, wie es meist der Fall war, durchgesetzt hatte. Das Gesinde musste in der Küche feiern, während die Herrschaft im großen Saal Gäste empfing. Für viele der Diener und Dienerinnen hieß dies, nach dem Gottesdienst in der Dorfkirche ins Schloss zurückzueilen und sich an die Arbeit zu begeben. Cäcilie, Frau Frähmke und etliche andere hatten keine einzige Minute für sich, um an Jesu Geburt zu denken oder gar fromme Lieder zu singen.
    Zwar ließ die Gräfin noch vor der eigenen Feier Geschenke an die Bediensteten austeilen, aber die fielen mager aus. Ein Stück Stoff für die Frauen, damit sie sich ein neues Kleid nähen konnten, eine Tonflasche mit Schnaps aus der gutseigenen Brennerei und ein wenig Tabak für die Männer, das war alles. Zudem fand die Verteilung der Gaben ohne jede Besinnlichkeit statt.
    Da Walther noch zu jung für Tabak und Schnaps war, erhielt er gar nichts, musste aber kräftig mithelfen, die Gäste des Grafenpaares zu bedienen. Am nächsten Morgen saß er in der Küche und schnitzte mit säuerlicher Miene Späne, damit Cäcilie in den nächsten Tagen den Herd anschüren konnte.
    Da trat die Mamsell auf ihn zu. »Der Herr Graf wünscht dich zu sprechen, Junge.«
    »Mich?« Missmutig legte Walther das Scheit, das er bearbeitet hatte, auf den Holzstoß zurück, reichte Cäcilie das Messer und machte sich auf dem Weg zu den Gemächern des Herrn.
    Graf Renitz saß in seinem Schreibzimmer, hielt ein Glas Wein in der Hand und starrte gegen die Wand. Als Walther eintrat, atmete er tief durch und wartete, bis der Junge sich verbeugt hatte.
    »Frohe Weihnachten, Walther!«
    Erstaunt über den freundlichen Empfang erwiderte Walther den Gruß. »Frohe Weihnachten, Erlaucht!«
    »Ich habe dich kommen lassen«, begann der Graf, »weil Pastor Künnen voll des Lobes über dich ist. Er sagt, du lernst gut und wirst bald meinen Sohn eingeholt haben, obwohl dieser dir fast zwei Jahre voraushat. Leider hat der Krieg verhindert, dass Diebold genügend Unterricht erhalten konnte.«
    Für einen Moment erschien ein Ausdruck des Unmuts auf dem Gesicht des Grafen. »Der Pastor sagte auch, dass der Ehrgeiz meines Sohnes gewachsen ist, seit er mit dir zusammen unterrichtet wird. Dies ist ganz in meinem Sinn. Daher wirst du von nun an allen Unterrichtsstunden beiwohnen und gleich Diebold die Bildung erhalten, die es euch ermöglicht, gemeinsam zu studieren.«
    Walther starrte den Grafen verblüfft an. »Zu studieren, Erlaucht?«
    »Das ist mein Wille! Diebold braucht jemand, der ihn zu größeren Leistungen antreibt, und du hast gezeigt, dass du dazu fähig bist. Aus diesem Grund habe ich hier ein Geschenk für dich!« Mit diesen Worten deutete Graf Renitz auf mehrere Schreibhefte, ein kleines Tintenfass und eine Federspitze aus Metall.
    Während Walther die unerwarteten Gaben erfreut betrachtete, erklärte der Graf ihm, dass Pastor Künnen der Meinung sei, er sei der Schiefertafel entwachsen und könne von nun an mit Tinte und Feder schreiben.
    »Sobald deine Schrift gefestigt ist, wirst du mir als Sekretär dienen. Von den Arbeiten, die du bisher verrichtet hast, wirst du freigestellt«, setzte er hinzu, obwohl er wusste, dass dies noch einen harten Kampf mit seiner Gemahlin nach sich ziehen würde. Doch in diesem Fall gedachte er, sich durchzusetzen.
    »Erlaucht sind zu gütig!« Walther blieb beinahe die Stimme weg, als er sich bedanken wollte.
    Da hob der Graf die Hand. »Nimm deine Sachen und bringe sie in deine Kammer. Du hast für den Rest des Tages frei. Versuche, ob du mit Tinte und Feder zurechtkommst.«
    »Das werde ich, Erlaucht.« Mit einem Gefühl, als hätte Fortuna eben ihr Füllhorn über ihn ausgeleert, nahm Walther die Geschenke an sich, verbeugte sich vor dem Grafen und stieg in die winzige Kammer unter dem Dach hinauf, in der er nur an einer Stelle aufrecht stehen konnte. Dabei überlegte er, was er als Erstes schreiben sollte, und entschied sich für einen Brief an Gisela. Leider

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