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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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werden wir verkünden, dass der Übeltäter es vorgezogen hat, nicht nur unsere ehrwürdige Universität, sondern auch das Königreich Hannover zu verlassen. Damit ist der Ehre unseres sich beleidigt fühlenden Souveräns Genüge getan.«
    Der Anflug eines Lächelns, das auf dem Gesicht des Professors erschien, brachte Walther zu der Überzeugung, dass Artschwager wohl doch nicht jener reaktionäre Mensch war, für den ihn alle hielten.

12.
    P rofessor Artschwager hielt Wort. Walther musste sein kaltes Zimmer bei der Witwe Haun gegen den im Grunde kaum kälteren Karzer der Universität eintauschen, während die restlichen Studenten wieder die Hörsäle besuchen durften. Ohne es zu wissen, wurde er dadurch für etliche seiner Kommilitonen zum Helden. Stephan und Landolf ließen ihm sogar Briefe zukommen, in denen sie ihre Bewunderung ausdrückten. Diebold aber kümmerte sich nicht um ihn, sondern fuhr an dem Tag, an dem die Ferien begannen, ohne Abschied nach Renitz.
    Dort traf der junge Graf als Erstes auf Gisela, die wenige Tage zuvor ihr sechzehntes Lebensjahr vollendet hatte und in den letzten Monaten weiter aufgeblüht war. Das Mädchen empfing ihn im Auftrag der Gräfin vor der Tür und reichte ihm Würzwein zum Aufwärmen.
    Während er das Glas austrank, musterte Diebold Gisela ungeniert. In Göttingen hatte er ungewohnt zölibatär leben müssen, und so erhitzte ihr Anblick sein Blut mehr als der Glühwein.
    »Komm näher!«, befahl er und streckte die freie Hand nach ihr aus.
    Gisela gehorchte zögernd, wich aber zurück, als seine Finger ihr Gesicht berührten. Doch er bedrängte sie weiter, bis sie schließlich mit dem Rücken an der Hauswand stand. Auch dort versuchte sie noch auszuweichen, aber Diebold hielt sie mit einer Hand fest und drückte ihr mit der anderen das leere Glühweinglas in die Hand. Da sie es nicht fallen lassen durfte, musste sie es notgedrungen entgegennehmen und bot ihm damit die Gelegenheit, mit seiner Rechten über ihren Körper zu streichen.
    »Du bist verdammt hübsch geworden, Kleine. Ich glaube, du wirst nachher in mein Schlafzimmer kommen, mir einen Würzwein bringen und dann meine Hemden sortieren.«
    »Das tue ich nicht!« Gisela schüttelte wild den Kopf und versuchte den Mann wegzudrücken, doch gegen dessen Kraft kam sie nicht an. Diebold beugte sich vor, um sie zu küssen, traf jedoch nur ihre Wange. Ihr Widerstand reizte ihn jedoch nur noch mehr.
    »Du kommst heute Abend zu mir, sonst muss ich meiner Frau Mama mitteilen, dass du dich mir gegenüber unverschämt verhalten hast. Das willst du doch nicht, oder?«
    Diebolds selbstgefälliges Grinsen ekelte Gisela an, doch sie durfte sich nichts vormachen. Sie war ihm wehrlos ausgeliefert. Die Gräfin würde immer zu ihrem Sohn halten und sie eine Lügnerin heißen. Anders wäre es, wenn Graf Renitz noch bei Kräften wäre. Doch dieser hatte sich noch immer nicht von seiner heftigen Erkältung erholt, und seine Gemahlin sprach davon, dass er wohl nicht mehr lange leben würde. Wenn er starb, würde Diebold der neue Herr auf Renitz werden.
    Gisela mochte noch jung sein, doch sie machte sich keine Illusionen darüber, was der junge Graf von ihr wollte. Und Diebold würde nicht eher nachgeben, bis er sein Ziel erreicht hatte. Wenn sie versuchte, sich ihm zu entziehen, würde er sie bei seiner Mutter verleumden. Gräfin Elfreda mochte sie nicht und würde sie auch jetzt, mitten im Winter, auf die Straße setzen. Ohne Arbeit und ohne Geld würde sie betteln gehen müssen – oder ein Ende im Straßengraben finden. Vielleicht, sagte sie sich, wäre das sogar das bessere Schicksal.
    Als oben am Treppenabsatz Schritte aufklangen, gab Diebold das Mädchen frei. So rasch Gisela es vermochte, eilte sie davon und übersah dabei ganz die Mamsell, die nur wenig später die Treppe herabkam und vor dem jungen Herrn knickste.
    »Verzeiht, Graf Diebold, dass wir keinen gebührenden Empfang für Euch vorbereitet haben. Doch wir hatten angenommen, Ihr kämet zu einer späteren Stunde. Der Schneefall war doch sehr heftig.«
    »Das war er nur auf der letzten Meile. Vorher bin ich gut durchgekommen«, antwortete Diebold leichthin. »Außerdem habe ich meinen Willkommenstrunk bereits erhalten. Wo ist meine Frau Mama? Sie ist doch hoffentlich wohlauf?«
    »Ihre Erlaucht haben geruht, sich ein wenig hinzulegen, um bei Eurer Ankunft frisch zu sein, Euer Hochwohlgeboren. Wenn Ihr es wünscht, werde ich sie wecken.«
    Frau Frähmke wollte sich wieder

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