Das goldene Ufer
der Treppe zuwenden, doch Diebold hielt sie auf. »Das ist nicht nötig. Ich werde meine Gemächer aufsuchen und mich ebenfalls etwas ausruhen. Ach ja, sagen Sie Gisela bitte, sie soll mir noch ein Glas Würzwein bringen.«
Mit diesen Worten wandte Diebold sich ab und schritt die Treppe nach oben. Da er sich nicht mehr umsah, entging ihm der verächtliche Blick, den die Mamsell ihm nachsandte.
Besorgt verließ Luise Frähmke die Eingangshalle. Wie hätte sie verhindern können, dass Diebold sich an Gisela vergriff. Da kam ihr ein Gedanke. In der Küche angekommen, winkte sie Osma, die sich früher schon mit dem jungen Grafen eingelassen hatte, zu sich. »Du wirst Graf Diebold einen Becher Würzwein in seine Gemächer bringen.«
»Ein Krug wäre besser, dann müsste Osma nicht so oft laufen. Wobei ich bezweifle, dass sie viel zum Laufen kommt«, warf die Köchin mit angewiderter Miene ein.
»Dann fülle gleich einen Krug!« Frau Frähmke machte eine Handbewegung, als wolle sie Cäcilie an die Arbeit scheuchen, und hielt dann Gisela auf, die sich zur Küche hinausschleichen wollte. Das Mädchen war erleichtert, dass diese Aufgabe an ihr vorübergegangen war, denn Osmas Erscheinen würde den jungen Renitz fürs Erste von ihr ablenken. Aber sie hatte Angst vor den kommenden Tagen.
Die Mamsell musterte sie. »Ich habe einen Auftrag für dich, den leider keine der anderen Mägde übernehmen will. So bleibt es an dir hängen.«
Gisela nickte unglücklich und starrte Osma an, der Cäcilie gerade einen vollen Krug mit heißem Würzwein und einen Becher reichte.
»Wehe, du trinkst das Zeug selbst!«, warnte die Köchin die Magd, doch diese kicherte nur.
Osma wusste genau, dass Diebold sie probieren lassen würde, und ihr war auch klar, dass es eine gewisse Zeit dauern konnte, bis sie wieder aus dessen Zimmer herauskam. Das war ihr recht, denn in den Vorbereitungen auf die Weihnachtszeit drohte allen die Arbeit über den Kopf zu wachsen. Fröhlich eilte sie davon und ließ Cäcilie kopfschüttelnd zurück.
»So eine Schlampe«, sagte die Köchin und wollte noch etwas hinzufügen, doch die besorgte Miene der Mamsell und das ängstliche Gesicht von Gisela lenkten sie ab. »Ist etwas geschehen? Ich habe nur den jungen Herrn eintreffen sehen, aber Walther fehlt.«
»Vielleicht kommt er mit dem Gepäck nach!«, verlieh Gisela ihrer heimlichen Hoffnung Ausdruck, doch die Mamsell schüttelte den Kopf.
»Das Gepäck des jungen Herrn war hinten auf die Kutsche geschnallt. Ich werde versuchen, etwas über Walther in Erfahrung zu bringen. Doch das ist derzeit nicht unsere größte Sorge. Eigentlich hatte Graf Diebold verlangt, dass Gisela ihm den Glühwein bringt.«
Es dauerte einen Moment, bis Cäcilie begriff, was Frau Frähmke damit sagen wollte, dann aber färbte sich ihr rundliches Gesicht zornrot. »Na so etwas! Meinetwegen kann der junge Herr sich mit Osma vergnügen. Aber unsere Kleine bekommt er nicht.«
»Das zu verhindern wird nicht einfach sein«, erklärte die Mamsell mit gerunzelter Stirn. »Aber zumindest heute wird es uns gelingen. Gisela, du füllst jetzt einen Korb mit Lebensmitteln und bringst diesen zum Forsthaus! Es ist zwar hundekalt und du wirst dich sputen müssen, vor der Nacht dort zu sein. Förster Stoppel ist krank und braucht Pflege. Seine alte Kriegsverletzung setzt ihm schwer zu. Aus dem Grund wirst du auf jeden Fall so lange bei ihm bleiben, bis der junge Herr uns wieder verlassen hat. Der gnädigen Frau sage ich etwas von einem ansteckenden Fieber! Dann verbietet sie ihrem Sohn kategorisch, das Forsthaus aufzusuchen. Sie hat sogar bestimmt, dass Graf Diebold seinen Vater nur von der Schwelle der Tür begrüßen, aber um Gottes willen nicht dessen Schlafzimmer betreten darf. Zu unserem Glück fürchtet der junge Herr sich seit seiner Kindheit vor Krankheiten. Daher wird er seine Absichten auf eine spätere Zeit verschieben, und bis dahin müssen wir einen Weg finden, Gisela vor ihm zu schützen.«
Frau Frähmke hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, da packten Cäcilie und Gisela bereits einen Korb mit Lebensmitteln und den wenigen Habseligkeiten, die Gisela im Forsthaus brauchen würde. Kaum war dies geschehen, legte das Mädchen ein dickes Schultertuch um, schlüpfte in geschlossene, mit Heu gepolsterte Holzschuhe und nahm den Korb in die Hand.
»Ich danke euch beiden von Herzen!«, sagte sie zu den beiden Frauen und verließ das Schloss durch die Küchenpforte.
Die Mamsell sah
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