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Das Gottesgrab

Das Gottesgrab

Titel: Das Gottesgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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selbst die äußeren Grenzen der antiken Stadt nicht mehr genau bestimmen, geschweige denn die ehemaligen Straßenverläufe oder Gebäude. Der Grund dafür war Alexandrias besondere Lage. Mit dem Mittelmeer im Norden, dem Mariutsee im Süden und Westen und dem sumpfigen Nildelta im Osten hatte die Stadt keine Möglichkeit, sich auszudehnen. Wenn neue Gebäude gebraucht worden waren, hatte man alte abgerissen, um Platz zu schaffen. Fort Qait Bey war auf den Fundamenten des Leuchtturms von Pharos errichtet worden. Und die Kalksteinquader der ptolemäischen Paläste waren für den Bau römischer Tempel, christlicher Kirchen und islamischer Moscheen verwendet worden und spiegelten die verschiedenen Epochen der Stadt.
    Er wandte sich mit einem Lächeln an Maha. «Wussten Sie, dass Alexander den Verlauf unserer Stadtmauern eigenhändig markiert hat?»
    «Ja, Chef», erwiderte sie gehorsam, ohne aufzuschauen.
    «Er hat eine Spur aus Mehl gezogen, auf die sich sofort alle möglichen Vögel gestürzt haben. Manche Menschen hätten das für ein schlechtes Omen gehalten. Nicht so Alexander.»
    «Nein, Chef.»
    «Für ihn bedeutete es, dass unsere Stadt Schutz und Beistand von Menschen aller Nationen erhalten würde. Und er hatte recht. Er hatte recht.»
    «Ja, Chef.»
    «Ich langweile Sie.»
    «Sie sagten, dass diese Briefe noch heute rausgehen sollen, Chef.»
    «Ja, Maha, das ist richtig.» Alexander hatte den Bau seiner Stadt nicht mehr erlebt. Ptolemäus und seine Nachkommen hatten von der Gründung profitiert und Ägypten mit allmählich schwindender Macht regiert, bis die Römer gekommen waren, die wiederum durch die arabische Eroberung im Jahre 641 nach Christus verdrängt worden waren. Der Regierungssitz war nach Süden verlegt worden, erst nach Fustat, dann nach Kairo. Der Handel mit Europa hatte nachgelassen, ein Mittelmeerhafen war nicht mehr nötig gewesen. Das Nildelta war wieder versumpft, die Wasserkanäle hatten ausgedient. Alexandrias Niedergang setzte sich unerbittlich fort, nachdem die Türken die Herrschaft übernommen hatten. Und als Napoleon zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts eingefallen war, hatten keine sechstausend Menschen mehr hier gelebt. Aber seitdem hatte diese unverwüstliche Stadt einen neuen Aufschwung erfahren, und heute lebten gut vier Millionen Menschen so dicht zusammengedrängt, dass systematische Ausgrabungen unmöglich waren. Archäologen wie Ibrahim waren deshalb dem guten Willen der Stadtplaner ausgeliefert, die noch immer alte Gebäude abreißen ließen, um an der gleichen Stelle neue zu errichten. Und jedes Mal war die Chance, dass sie etwas Außergewöhnliches freigelegt hatten, äußerst gering. «Einen Teil hat er sehr ausführlich beschrieben», sagte er. «Einen Vorhof mit Bronzetüren, die in eine Vor- und eine Hauptkammer führen. Was sagt Ihnen das?»
    «Ein Grabmal?», meinte Maha unsicher. «Ptolemäisch?»
    Ibrahim nickte. «Frühptolemäisch. Sehr früh.» Er holte tief Luft. «Tatsächlich hört sich das für mich nach einem Grabmal eines makedonischen Königs an.»
    Maha stand auf und drehte sich um. «Sie denken doch nicht …», begann sie. «Aber ich dachte, Alexander wäre in einem großen Mausoleum bestattet worden.»
    Ibrahim schwieg einen Augenblick und genoss heimlich ihre Aufregung. Er fragte sich, ob er sie jetzt sanft ernüchtern oder es riskieren sollte, seine ungestümen Hoffnungen mit ihr zu teilen. Schließlich beschloss er, sie zu enttäuschen. «Ja, das war er. Man nannte es Sema, das griechische Wort für Grabmal. Oder vielleicht Soma, das Wort für Körper.»
    «Ach», sagte Maha. «Dann ist es nicht Alexanders Grab, oder?»
    «Nein.»
    «Was ist es dann?»
    Ibrahim zuckte mit den Achseln. «Wir müssen es ausgraben, um das herauszufinden.»
    «Aber wie? Ich dachte, wir hätten schon alle Mittel ausgeschöpft.»
    Das war der springende Punkt. Ibrahims gesamtes Jahresbudget war bereits verplant. Er hatte den Franzosen und Amerikanern so viel abgerungen, wie sie geben konnten. So lief das hier, denn Ausgrabungen kosteten Geld, das nicht vorhanden war. Wenn in einem Haushaltsjahr zu viele interessante Stätten entdeckt wurden, konnte er sich einfach nicht um alle kümmern. Er musste taktieren. Genau in diesem Moment waren alle seine Mitarbeiter direkt oder indirekt mit Projekten überall in der Altstadt beschäftigt. Um diesen neuen Fund auszugraben, benötigte er neues Geld, Experten und ein Team. Und bis zum nächsten Haushaltsjahr konnte er nicht

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