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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Tiere, aus deren Anatomie Darwin
abgeleitet hatte, daß die Schöpfung nicht die Handschrift
Gottes des Allmächtigen trug, sondern das Gepräge viel
interessanterer Ursprünge aufwies. Am 12. Juni hatte dann die Beagle II, in den Kojen eine buntscheckige Schar von
Biologielehrern, Hobby-Naturforschern und verzogenen, durch ihre
genervten Eltern zwangsverschickter Schulaussteigern, den Hafen
Charlestown (Cornwall) verlassen. Gemäß der durch die
Maritim-Abenteuerreisen GmbH & Co. KG konzipierten Reiseplanung
folgte die Beagle II genau Darwins Fahrtroute, ausgenommen die
Kursänderung bei Joas Pessoa, damit sie den Panamakanal benutzen
und die Reise um sieben Monate verkürzen konnte. Nach
Besichtigung der Galápagos-Inseln hatte ein Jet sie von
Guayaquil aus nach England zurückbefördern sollen.
    Doch das Schiff gelangte nicht einmal bis zum Äquator.
Hurrikan Beatrice beschränkte sich nicht darauf, die Beagle
II zu versenken, vielmehr schmetterte er sie vom Bug bis zum Heck
und vom Kiel bis zum Krähennest in Trümmer. Er zerlegte
sie, als ob einer von Cassies Gymnasiasten einen Dornhai sezierte.
Nach dem Untergang schwamm sie allein und benommen, an eine Spiere
geklammert, das Dolly-Buster-Badetuch an sich gekrallt, in eisiger
See und mußte vergrämt zur Kenntnis nehmen, daß die
Maritim-Abenteuerreisen GmbH & Co. KG das
Galápagos-Pauschalangebot unter $ 2500,- hielt, indem sie auf
kostspieligen Firlefanz wie Rettungsboote, Rettungsflöße
und Rettungsringe, Schwimmwesten und Ersatzbatterien fürs
Kurzwellen-Funkgerät verzichtete. Es grenzte ans Wunderbare,
daß es Cassie gelungen war, das Handkurbel-Funkgerät aus
dem Treibgut zu fischen, das inzwischen automatisch aufgeblasene
Schlauchboot der Beagle II zu erspähen und (noch immer im
Besitz des Badetuchs) hineinzuklettern.
    »Wenn jemand auf Ostkurs ist… letzte bekannte Position
zwo Grad nördlicher Breite, siebenunddreißig Grad
westlicher Länge… Wenn irgendwer mich hört, bitte
Hilfe…!«
    Mit boshafter Unabwendbarkeit ging die Sonne auf, Cassies
einäugige Widersacherin, ein schlimmerer Feind als jeder Hai.
Das Badetuch schützte sie vor den Sonnenstrahlen, aber bald litt
sie unerträglichen Durst. Die Versuchung, die Hand ins Wasser zu
tauchen und einen Mundvoll zu schlürfen, war nahezu
übermächtig stark. Als Biologin wußte sie
natürlich genau, daß das blanker Wahnsinn wäre. Wer
ein Glas Meerwasser trank, nahm außer zirka 10 cm 3 reines H 2 O auch ein Quantum Salz auf, das die
Bedürfnisse des Körpers weit überschritt. Durch
Zuführung eines zweiten Glases erhielten die Nieren
genügend H 2 O, um das Salz aus dem ersten Glas zu
verarbeiten, jedoch zuwenig, um das gleiche mit dem Salz aus dem
zweiten Glas zu schaffen. Mit dem dritten Glas… Und so weiter,
es war schlichtweg unmöglich, den Rückstand aufzuholen.
Unausweichlich gebärdeten sich die Nieren diebisch und entzogen
das benötigte Wasser anderem Gewebe. Der Körper trocknete
aus, bekam Fieber, und das Endergebnis war der Tod.
    »Helfen Sie mir«, stöhnte Cassie, leierte an der
Kurbel des Funkgeräts wie eine Sünderin, die dazu verdammt
worden war, in der Hölle eine unbegreifliche Gebetsmühle zu
drehen. »Letzte bekannte Position zwo Grad nördlicher
Breite, siebenunddreißig Grad westlicher Länge…
Wasser… Ich brauche Wasser…« Ich werde Gott nicht
anrufen, schwor sie sich. Ich werde nicht um Rettung flehen.
    Ungefähr zur Mittagszeit kam St. Paul’s Rocks in Sicht,
eine maximal 500 m lange Aufreihung granitener Felsspitzen,
insgesamt sechs, die am Äquator wie aquatische Stalagmiten aus
dem Meer stachen, obenauf weißlich vom haufenweise abgelagerten
Seevogelkot. Flüchtig schwelgte Cassie in der traurigen Poesie
des Augenblicks. Am 12. Februar 1832 hatte hier die
Original-Beaglegeankert. Wenigstens bewege ich mich, tröstete
sich Cassie, in Darwins Schatten. Zumindest folge ich bis zum Ende
seinem Weg.
    Sie erreichte St. Paul’s Rocks in der Abenddämmerung,
paddelte das Schlauchboot zur windgeschützten Seite des
Inselchens. Das Funkgerät in der Hand, das Badetuch über
die Schlüter geworfen, erklomm sie, obwohl das zerklüftete
Bimsgestein ihre die Handteller zerschabte und die Knie zerschrammte,
die höchste Felsnadel. Sie hatte Halluzinationen: eine
frostkalte Dose Cola Light, eine Karaffe Limonade mit Eis, eine
eisgekühlte Dose Isostar. Am Gipfelpunkt richtete sie sich auf;
das Dolly-Buster-Badetuch umwehte ihren Rücken wie ein
Königinnenmantel. Die

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