Das Gottesmahl
Karpag- Kaffeebecher
Brühe aus dem Kupferkessel, hob ihn an die Lippen und trank.
»Wollen Sie wissen, warum ich Ihnen Bammel
einflöße?«
»Sie jagen mir keine Angst ein.« In Wahrheit entsetzte
der junge Matrose Thomas bis ins Mark.
»Ihnen wird bange, weil Sie feststellen, wenn Sie mich
angucken, daß jeder an Bord der Valparaíso die gleiche Freiheit wie ich finden kann. Joe Spicer da vor der
Tür könnte auf einmal genauso wie ich denken. Rafferty
könnte drauf stoßen. Sind Sie sicher, daß Sie keine
Zigarette haben?«
»Tut mir leid.« Thomas wich seitwärts zur Tür
zurück, aber verharrte dort, gebannt von den Stahlschrauben; sie
wirkten krankhaft und abartig, ähnelten. Beulen auf dem
Rücken eines leprösen Roboters. Vielleicht war er doch
nicht für diese Art des Wirkens geschaffen. Unter Umständen
hielt er sich lieber an die Quantenmechanik und seine Meditationen
über Gottes Todesursache. »Hilft es Ihnen«, fragte er
und blickte Weisinger in die Augen, »sich mit mir zu
unterhalten?«
»Auch O’Connor kann auf solche Gedanken
kommen.«
»Hilft es Ihnen?«
»Oder Haycox.«
»Wenn Sie das Bedürfnis haben, sich mit mir
auszusprechen, beauftragen Sie Spicer, mich zu holen.«
»Und Kapitän van Horne.«
»Ich möchte Ihnen wirklich von Herzen gerne behilflich
sein«, beteuerte der Priester und floh blindlings aus der
Zelle.
»Sogar Sie können die Freiheit entdecken, Tommy«,
rief ihm der junge Vollmatrose nach. »Sogar Sie.«
Als die übelriechende Taxi-Rostlaube am Haus 625 West 42.
Straße vorfuhr, erkannte Oliver, daß sie nur einen
Häuserblock vom Horizont-Autorentheater entfernt waren, dem
Schauspieltheater, wo Runkleberg, sein persönliches
Lieblingsstück unter Cassies Bühnenstücken, im
Doppelpack mit dem von ihm am wenigstens geschätzten ihrer
Werke, Gott ohne Tränen, Premiere gehabt hatte. Herrje,
was für ein attraktives Genie war sie! Für sie täte er
alles. Für Cassandra würde er eine Bank ausrauben, auf
glühenden Kohlen gehen, Gott zur Hölle bombardieren.
Vom Gehsteig aus betrachtet wirkte das New Yorker Büro von
Pembroke & Flumes Zweiter-Weltkrieg- Militärdrama-Gruppe wie
jede andere Manhattaner Fassade, ließ sich von einem Dutzend
ähnlicher Bauten auf der zivilisierten Seite der 8. Avenue, der
Asphalt-Demarkationslinie, über die die Sex- und Peepshows noch
nicht hinausgedrungen waren, nicht unterscheiden. In dem Moment
jedoch, als die drei Atheisten eintraten, vollzog sich eine
sonderbare Wandlung. Während Oliver ins dunkle Foyer trat, den
Diplomatenkoffer an der Seite schwang, wurde ihm zumute, als
würde er in die Vergangenheit versetzt, in die
Privatgemächer eines Eisanbahn-Magnaten des 19. Jahrhunderts.
Ein persischer Teppich dämpfte seine Schritte. Vor ihm an der
Wand ragte in vergoldetem Rahmen ein mannshoher Spiegel empor,
flankiert von erleuchteten, geradewegs aus dem Zeitalter der
Gaslaternen überkommenen Kristallglaskugeln. Eine klotzige
Standuhr schlug die Stunde – 16 Uhr – und dröhnte so
laut, als wollte sie andeuten, ihr wahrer Zweck wäre nicht das
Anzeigen der Zeit, sondern die Berufung, die Menschen zur
Geruhsamkeit und zum Genießen des Daseins zu ermahnen.
Eine hochgewachsene, schwanenhalsige Frau in himmelblauem, an den
Schultern ausgeprägt gepolstertem Kostüm und mit
Mary-Astor-Filzhut empfing sie, und obwohl sie offensichtlich zu jung
war, um Pembrokes oder Flumes Mutter zu sein, behandelte sie die
Atheisten weniger als Kunden, sondern wie eine Schar Jungs aus der
Nachbarschaft, die herübergekommen waren, um mit ihren Kindern
zu spielen. »Ich bin Eleanor«, sagte sie, führte die
Besucher in ein kleines, getäfeltes, erfreulicherweise
klimatisiertes Büro. Plakate schmückten die Wände,
PEMBROKE & FLUME PRÄSENTIEREN: ARDENNENOFFENSIVE. (Beide T
hatten das Aussehen von Panzerkanonenrohren.) PEMBROKE & FLUME
PRÄSENTIEREN: ANGRIFF AUF TOBRUK. (Der Schriftzug war in die
Zinnen einer Hafenfestungsmauer eingefügt.) PEMBROKE & FLUME
PRÄSENTIEREN: SCHLACHT UM IWO JIMA. (Mit Blut in den Sand einer
Düne geschrieben.) »Ich wette, Sie hätten gerne etwas
Kaltes zu trinken, liebe Leute.« Eleanor stakste zu einem
Kühlschrank aus den frühen vierziger Jahren und
enthüllte, indem sie die Tür aufschwang, ein Sortiment
geradezu klassischer Etiketten: Ruppert, Rheingold, Ballantine, Pabst
Blue Ribbon. »Neues Bier in alten Flaschen«, erklärte
sie. »Ist alles Budweiser aus der Bodega gleich um die
Ecke.«
»Ich nehm ’n
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