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Das Gottschalk-Komplott

Das Gottschalk-Komplott

Titel: Das Gottschalk-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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hörte, den Lärm vieler Füße und anschließend Stille im Zimmer, wenngleich nebenan noch irgendwo Musik spielte. Oben hatte das Tanzen ein Ende genommen. Sie vermutete, daß sie jetzt mit Madison allein war, vielleicht mit noch zwei oder drei anderen Leuten, die sich zu weit in durch Drogen hervorgerufene Phantasien verirrt hatten, um sich um etwas so Unwichtiges wie Tod zu kümmern.
    Aber sie blieb sitzen, den Kopf zwischen den Knien, ließ das Übelsein allmählich vergehen, dachte an Dan.
    Endlich schaute sie auf und sah, daß sie recht hatte. Madison stand neben dem geborstenen Fenster, vor das sich, als das Glas brach, automatisch Stahlblenden geschoben hatten; aber zu langsam, um Putzis Sturz auf die Straße aufzuhalten. Der Nieb hatte eine starre, fast eine Habachtstellung eingenommen, die Schultern nach hinten gedrückt, den Blick fest ins Nichts gerichtet.
    Behutsam, um nicht ins eigene Erbrochene zu treten, erhob sich Lyla und humpelte steif hinüber. Die Dosis war stark genug gewesen, um die Muskelzuckungen zu erzeugen, denen sie unter normalen Umständen freien Lauf ließ, diesmal jedoch Widerstand geleistet hatte; ihr war zumute, als sei ihr ganzer Körper systematisch Zentimeter um Zentimeter durchgeprügelt worden.
    Obwohl es ihr zum Vergehen grauste, trieb es sie unwiderstehlich zu ihm. „Harry?“ sprach sie ihn schüchtern an.
    Er reagierte mit einer Regung; sie zuckte zusammen, und er bemerkte, wie sie zurückfuhr. „Keine Sorge“, sagte er, „bei diesem Auftrag stehen Sie nicht auf meiner Zielliste.“
    Was? Bestürzt schüttelte sie den Kopf. Kann sein, er ist doch verrückt, dachte sie verschwommen, aber wahrscheinlich ist, die SibyllPille ist daran schuld. Allerdings habe ich noch nie gehört, daß so eine Pille eine solche Wirkung ausgeübt hat, ob bei Mann oder Frau. Was ist in ihm vorgegangen? Er hat acht Männer und ein bösartiges Weibsstück mit einer Hand geschlagen. Hier liegen Tote und Verletzte, die es beweisen. Er hat gegen sie gewonnen.
    „Sie haben gewonnen“, sagte sie.
    Er sah nicht sie an, sondern blickte ungerührt auf einen Punkt im Raum irgendwo über ihrer linken Schulter und antwortete, ohne die Lippen zu bewegen. „Selbst in diesem relativ späten Stadium war es einem unbewaffneten, aber hinreichend entschlossenen Mann möglich, sich gegen beträchtlichen Widerstand durchzusetzen. Erst nach dem Gottschalk-Putsch des Jahres zweitausendfünfzehn und der gleichzeitigen Einführung integrierter Waffen des Systems C erwies sich jeder Nahkampf als effektiv sinnlos.“
    Entgeistert schüttelte Lyla den Kopf. „Zweitausendfünfzehn?“ wiederholte sie einfältig. „Harry, aber jetzt ist doch erst Sommer zweitausend vierzehn.“
    Er mißachtete ihren Einwand und sprach so ausdruckslos weiter wie ein billiger Automat. „Die Ausrüstung von Individuen mit Waffen, die zur Einebnung einer mittelgroßen Stadt genügten, bereitete nichtsdestotrotz dem Vorkommen solcher Kämpfe keineswegs ein unverzügliches Ende. Eine Zeitlang unternahm man den Versuch, das zwischenmenschliche Verhalten nach einem Kodex zu regeln, der in seinen Grundlagen den sprichwörtlichen Ritterlichkeits-Ehrbegriffen der Ritterschaft entsprach. Diese Bemühungen liefen den derzeitigen psychologischen Trends jedoch mit so radikaler Gegensätzlichkeit zuwider, daß …“
    Lylas Augen weiteten sich vor Schrecken, als sie ihren Blick an ihm vorüberlenkte. Mitten auf den Stahlblenden, die das zertrümmerte Fenster verschlossen, zeigte sich eine dünne rote Linie. Ohne Zweifel war ein eilends verständigter Polizei-Skimmer eingetroffen, und man schnitt mit einer Thermo-Lanzette durch die Blenden.
    „Harry!“ Sie zog an seinem Arm, aber er blieb so unbewegt wie ein Denkmal. Unbeeindruckt setzte er seinen monotonen Vortrag fort.
    „… sie von Anfang an zum Scheitern verurteilt waren, und von da an konnte es nicht ausbleiben …“
    „Harry!“
    Der Stahl klaffte, und durch die schmale Öffnung dampfte eine helle, dunstige Wolke herein.
    „Aber man kann uns doch nicht einfach mit Gas ausräuchern, ohne ein Wort mit uns zu reden!“ schrie Lyla. „Das kann man doch nicht mit …“

Man hält durch
     
    trotz Hochwassers und Feuersbrunst und schlechter Jahreszeiten, wie es eben kommt, Eis, Flut und Erdrutsch, Seuchen und Rebläusen und der Eruption des Nette-Nachbarn-Vulkans;
    trotz Ariern, Hyksos und Hunnen, Römern und Westgoten und Mongolen, Mohren, Christen und Sarazenen, Türken, Zulus und Briten,

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