Das Gottschalk-Komplott

Amerikanern, Deutschen und Franzosen;
    trotz der Schändung der Heiligtümer, der Einquartierung unsäglich fremder Soldaten, des lautlosen, gräßlichen Wehens von Pestilenz, die mit den Nebeln der Nacht wallt;
    zusammengekauert in einer zugigen Höhle, das Feuer mitten im Winter erloschen;
    zusammengekauert in den U-Bahn-Schächten, den Kopf eingezogen, wenn die Bomben herabheulen;
    zusammengekauert in luxuriösen Landsitzen im Ranch-Stil, sich darüber im klaren, daß es in der Montego Bay für Haut, die nur dank der Sonne braun ist, keine Gnade geben wird;
    zur Musik von Alarmsirenen;
    beim Trommelwirbel der Wogen am Strand;
    beim melancholischen Chor der Wölfe;
    irgendwie hält man durch, versucht ‚Schibboleth’ zu all den Widrigkeiten zu sagen, und irgendwie hält man trotzdem durch, wenigstens einer;
    vorm Eingang zur Gaskammer entweicht aus der Reihe ein Jude, der sich erinnern wird;
    aus den Kerkern unter Kolosseum flieht ein Christ, der nicht vergessen wird;
    von den verschlammten Schlachtfeldern an der Marne kehren ein Tommy, ein Poilu und ein Boche heim;
    irgendwie hält wenigstens einer durch;
    den Kampf um eine Brotkruste in den Trümmern Hiroshimas;
    in den Ruinen von Dresden, auf ein Knie gestützt, das andere zermalmt, den Arm ausgestreckt zum Führergruß;
    Diplodocus, Triceratops und Säbelzahntiger geringgeschätzt und vergessen, wie viele Millionen Jahre lang sie ihre Art vermehrten;
    unsere Urururgroßenkel als Säulen des Glaubens ausgemalt, in einer Hand die Bibel, in der anderen das Kreuz;
    dazu außerstande, sich das Rad eines schnellen Wagens oder einen bis fast zur Hüfte hinaufgeschobenen Rock vorzustellen;
    dank der unzureichenden Nahrung der Illusion, dünn wie eine Wassersuppe, wird durchgehalten;
    ein Hundertjähriger Krieg oder ein Sechs-Tage-Krieg;
    eine Vendetta von einer zur anderen Generation oder ein flüchtiger Moment des Zorns;
    man hinkt, aber auf irgendeine Art und Weise hält man durch;
    ein Heer kommt über den Hügel, schlachtet ab und vergewaltigt, aber man hält durch;
    der Priester zieht die Lose, um die Jungfrauen zu bestimmen, die aufgrund der üblen Jahreszeit auf dem Altar geopfert werden sollen, aber man hält irgendwie durch;
    ans Haus wird die Fackel gelegt, und der lange Treck in ein fernes, fremdes Dorf beginnt, nur mit den Habseligkeiten, die man tragen kann, aber man hält durch;
    irgendwie hält man eben durch;
    irgendwie;
    wo ein unbegrabener Nicht-Cäsar verblutete, ein längst vergessener Bauer, da findet man eine Rose;
    wo stumme, ruhmlose Miltons den Mund hielten, verläuft eine betonierte Straße;
    wo Gefolgsleute, nicht Führer, ihren letzten Atemzug taten, erstreckt sich eine gebrannte gläserne Scheibe, wie der Spiegel eines Vexierteleskops, das in eine furchterregende Raum/Zeit vorausspäht;
    und nichts gedeiht auf Glas;
    außer ein paar Fleckchen Tümpelalgen an den Wänden des Heimaquariums, die von Schnecken abgeerntet werden können, beneidenswerten Schnecken, deren Welt klein und deren Haus auf dem eigenen Rücken ist;
    unbeschädigt;
    nicht den Winden offen, die Decke in keinen unfaßlich schiefen Winkel verrückt, keine kalte Asche im Kamin;
    nicht durchs Zielfernrohr des Heckenschützen auf der anderen Seite der Straße anvisiert;
    nicht im strategischen Plan der X-Patrioten als ausschließlich von Weißen bewohnt verzeichnet;
    nicht mit Hypotheken belastet, und auf dem Dach fehlen keine Ziegel;
    irgendwie jedenfalls hält man trotz allem durch;
    bis man zu einem Schild kommt, auf dem HALT steht.
    wenn wenn man die Aufforderung befolgt, dann …
    Man ist bereits dabei, das Schild aufzustellen.
    Die notwendigen Mittel sind bereits seit langer Zeit verfügbar.
    O ja, seit Jahren und Jahren.
    Es ist bloß jemand nötig, der herkommt und ein paar Nägel einhämmert.
     
    Zu guter Letzt mußte man allerdings sowieso irgendwann die Lust verlieren.

Nein, natürlich ist Logorrhö nicht das gleiche wie Gonorrhö, aber es ist fast genauso schlimm für jemanden, der davon tangiert wird
     
    Conroys Maschine aus Manitoba landete um neun Uhr fünfzig, aber bis er durch Zoll und Einreisebehörde geschleust worden war, zeigte die Uhr schon fünfunddreißig Minuten nach zehn an. Pässe galten soviel wie eine entwertete Währung und waren infolgedessen ein Gegenstand des Feilschens.
    Als ob die Behörden, dachte Flamen, während er verdrossen wartete, nachdem sie gestern Morton Lenigo hereingelassen haben, diese Sache wiedergutmachen wollten, indem