Das Gottschalk-Komplott
war zwischen Gehänsel und selbstkritischem Bramarbasieren hin- und hergewechselt, doch nun beugte er sich mit nahezu gequältem Ernst vor.
„Es ist ein Toter auf seinem Weg, Mr. Flamen“, sagte er. „Und es zählt nicht zu den Aufgaben eines Arztes, die Vernichtung von Leben zu begünstigen. Richtig?“
Überrascht merkte Flamen, sein Gaumen war ausgetrocknet. Er nickte matt.
„Eine wirkliche Heilung“, setzte Conroy seine Darlegungen fort, „müßte doch dahin führen, daß der Mensch, der da kommt, sich aufgrund einer Einladung einfindet, daß sein Besuch ihm Spaß macht und er seinem Gastgeber die freudige Gewißheit vermittelt, ihn gut unterhalten zu haben. Verstehen Sie, was ich meine, oder sind die Menschen schon zu isoliert, um sich noch ernsthaft mit einer solchen Überlegung zu befassen?“
„Nun, es liegt auf der Hand“, antwortete Flamen vorsichtig, „daß es besser ist, begegnet man Leuten als Freunden statt als Feinden.“
„Aber diese Plattheit ist natürlich noch längst nicht alles.“ Conroy hieb mit dem Arm auf die Couch und wirbelte eine schwache Staubwolke auf. „Oder sollte es wenigstens nicht. Wann haben Sie das letztemal etwas getan, um Menschen einander näherzubringen? Ist Ihre tägliche Show nicht sogar dem gegenteiligen Zweck gewidmet? Medienkiebize säen auf erwerbsmäßige, systematische Weise Mißtrauen.“
„Nun machen Sie aber mal ’nen Punkt!“ Flamen knallte sein Glas vor sich auf den Tisch. „Ich pflege mir Lügner, Heuchler und Betrüger herauszupicken und vorzuknöpfen, und für alles andere würde ich mich schämen.“
„Mit dem Resultat, daß die Leute, die Ihre Sendungen sehen, die Motive eines jeden rundherum in Frage zu stellen beginnen“, sagte Conroy. „Sie halten’s für selbstverständlich, daß die Welt von Korruption, Rechtsverdreherei und Schwindel verseucht ist.“
„Glauben Sie, es wäre besser, sie zu täuschen, als Ihnen die Wahrheit zu zeigen?“
„Meinen Sie, es ist gut für Menschen, in der Vorstellung zu leben, daß jeder, der wohlhabender, mächtiger oder glücklicher ist als sie, dahin durch Lug, Betrug und Ausnutzung von Gesetzeslücken gelangt ist?“
Für einen ausgedehnten Moment blickten die beiden Männer einander an, keine Armlänge zwischen sich, bis Conroy ein gedämpftes Auflachen ausstieß und nach seinem Bier griff.
„Entschuldigen Sie, Mr. Flamen. Jemandem Vorwurfe machen, der Heuchelei verabscheut, ist eigentlich das allerletzte, woran mir liegt. Mir ist Falschheit ebenfalls zuwider. Aber sehen Sie, da ist ein Paradoxon, das mir gehörig Sorgen bereitet. Tagein, tagaus, über vierzig Wochen oder so im Jahr, nehme ich an, bringen Sie Ihre Enthüllungen und Skandalgeschichten, die ja, ich geb’s zu, gewisse Erfolge eintragen mögen, indem sie irgendwelche korrupten Beamten aus ihrer Position katapultieren, oder was ähnliches. Was Sie tun und sagen, ist jedoch keine Funktion der Anzahl allgemein interessanter Ungerechtigkeiten, von denen Sie erfahren – es hängt vielmehr von der DreiDe-Show ab, die Sie füllen müssen. Müssen, fünfmal in der Woche! Ich bin zumindest davon überzeugt, daß Sie schon ziemlich oft irgendeine triviale Angelegenheit zu einer Riesensache aufgeblasen haben, weil sich an dem Tag einfach nichts Größeres auf getan hat.“
„Ja, das muß ich bekennen“, sagte Flamen versonnen. „Und …“ Er zögerte, dann zwang er sich, in Gedanken bei dem, was Diablo darüber geäußert hatte, den Erfolg einer Medienkiebiz-Show an der Zahl von Selbstmorden abzulesen, die sie auslöste, zum Weiterreden. „Und obendrein gelten manchmal ausgerechnet derartige Enthüllungen als besonders bedeutsam, nicht weil sie wirklich wichtig gewesen wären, sondern weil die Zielperson über gewöhnlich schlechte Möglichkeiten zur Verteidigung verfügte. Zum Beispiel, wenn irgend so ein armer Hurensohn sich aus Scham das Leben nimmt.“
„Das bringt mich nun endlich wieder auf unser hauptsächliches Thema“, sagte Conroy. „Gewiß, ich werde eine Reihe von Parametern zwecks Datenpaket-Psychorecherche bei Ihrer Frau ausarbeiten, nach denen Mogshacks angebliche Heilbehandlung aussieht wie ein ungeheurer Fehlschlag – nicht nur das, ich werde recht behalten und er nicht, denn ihm ist es völlig gleichgültig, ob er Originalität, Kreativität oder Eigensinn oder sonst irgendwelche wertvollen Charaktereigenschaften unterdrückt oder nicht, solange seine Computer nur eine Ruhigstellung des Patienten
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