Das Gottschalk-Komplott
Manchmal bezweifle ich sogar, ob er an psychischen Störungen litt – wie behauptet worden ist –, als man ihn zu uns eingeliefert hat.“
„Ein guter Anfang.“ Conroy nickte. „Und Sie können vor jedem Gericht der Welt durchsetzen, daß die zwangsweise Einnahme einer SibyllPille ausreicht, um zeitweilige Unzurechnungsfähigkeit zu verursachen. Ich habe mich damit befaßt. Vor einigen Tagen habe ich meine Schüler sich damit beschäftigen lassen. Vermutlich gibt’s für die Entführung Zeugen?“
Reedeth wirkte bereits etwas ruhiger. „Nur das Mädchen selbst. Aber ich bin sicher, daß wir binnen kurzem auf Geständnisse der Kidnapper zurückgreifen können. Lyla Clay hat einen Nadeleinstich am Daumen, zum Beispiel, Madison einen an der Schulter. Man hat die beiden auf der Straße überfallen und ihnen Narkolat gespritzt.“
„Hmmm!“ Conroy schabte sich mit dem Handrücken am Bart. „Sagen Sie, Mr. Flamen, kann eine so … äh … notorische Dichterin wie Michaela Baxendale damit davonkommen, wenn sie Fremde mit Drogen vollpumpen und ihrer Freiheit berauben läßt, bloß um ihre Gäste zu amüsieren?“
„Ich kann dafür sorgen, daß sie verdammt keine derartige Aussichten hat“, versicherte Flamen. „Ich suche schon seit Monaten nach irgend etwas, um ihr an den Karren zu fahren. Und mir ist’s gleich, aus welchem ‚kaputten Zuhause* sie stammt, ob sie von ihrem Bruder vergewaltigt worden ist, und all der Quatsch.“
„Könnten Sie sich wohl später darüber unterhalten?“ meinte Reedeth ungeduldig übers KommNetz. „Ich habe mich den ganzen Vormittag lang abzappeln müssen, um die Polizei abzuwimmeln, und jetzt bin ich erschöpft und habe die Nase voll.“
„Halten Sie die Stellung nur noch für ein Momentchen“, sagte Conroy in aller Ruhe. „Mr. Flamen muß bestimmt ein paar vorbereitende Maßnahmen in die Wege leiten – Fenstersturz ist sogar heutzutage ein recht ernstes Delikt.“
„Was?“ Reedeth schaute begriffsstutzig drein.
„Das Werfen von Personen aus dem Fenster. Tja, wenn das irgendwie mit dem neuen Gottschalks-Katalog in Zusammenhang zu bringen wäre … Aber egal. Ich denke an solche Angelegenheiten wie Kaution, Kontaktaufnahme mit einem Rechtsanwalt, dem Gericht einen Haftbefehl gegen Miss Baxendale und ihr Gesocks herauskitzeln, dergleichen eben.“
„Das ist alles bereits veranlaßt. Ich habe bloß Mr. Flamen nicht erreichen können, denn er ist derjenige, der die ganzen Papiere unterzeichnen muß.“
„Ich komme so schnell wie möglich“, sagte Flamen mit einem Aufseufzen zu und trennte die Verbindung. Er wandte sich an Conroy. „Ich bedaure die Umstände, aber ich fürchte, ich muß wirklich hin. Mit etwas Glück sehen wir uns in ein paar Stunden wieder.“
„O nein, nicht doch“, sagte Conroy. „Ich komme mit Ihnen. Ich wollte Mogshacks Mausoleum schon immer mal von innen sehen, und eine zweite Chance wird sich wahrscheinlich nicht für mich ergeben.“
Er nahm Flamen am Arm und geleitete ihn strammen Schrittes zum Ausgang.
Nachdruck aus dem Manchester’ GUARDIAN’ vom 13. März 1968
Sieben fanden Tod in den Flammen
Mr. David Lumsden, Alter 26, stand in Toronto vor seinem brennenden Haus und rief vorbeibrausenden Autofahrern zu, sie möchten anhalten und helfen, während seine Frau und sechs Kinder in den Flammen umkamen. Alle Fahrer ignorierten seine Hilferufe.
Zum Zwecke der in diesem Buch erzählten Geschichte gemachte Annahme in bezug auf das Vorstehende
Es wäre schlimmer gewesen, hätten sie angehalten, bloß um spaßeshalber zuzuschauen.
Die Bedeutung dieses unerlaubten Eindringens
Es ist ein Sanktuarium innerhalb eines Sanktuariums, dachte Reedeth, dies Büro, umgeben von der Festung des Klinikbaus. Hier hatten Lyla und Madison zeitweiligen Schutz gegen die Verfolgung durch den unpersönlichen Grimm des Gesetzesvollzugs gefunden, saßen nun ihm gegenüber auf der Konsultations-Couch, nebeneinander wie zwei erschrockene Kinder – sie mit einer harten Maske des Kummers, die Mundwinkel abwärts gezogen, ihre Schultern eingesunken, die Hände fest zwischen die Knie gepreßt, er dagegen aufrecht und wie versteinert, keinen Ausdruck im dunklen Gesicht.
Ein Schauder kroch an seinem Rückgrat hinab, als Reedeth sich ausmalte, wie Madisons Muskeln sich wölbten, um einen Mann durch ein Fenster zu schleudern. Wie konnte im Laufe so vieler Jahre der gründlichsten Begutachtung seines Geisteszustandes mit den modernsten Mitteln eine
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