Das Gottschalk-Komplott
anderem habe ich ebenfalls über diese Visionen Miss Clays nachgedacht – und bin darauf gekommen, zu fragen, wie zum Teufel so viele Details da hineingeraten konnten …?“ Er lenkte seinen Blick hinüber zu Lyla. „Sie haben nicht Geschichte studiert, oder?“
„Nicht regelrecht studiert, nein. Nur die normalen Geschichtsstunden in der Schule mitgemacht. Ich hatte auch nie Spaß dran. Meine Noten waren immer ziemlich unterdurchschnittlich.“
„Aber was Sie uns erzählt haben, etwa das … äh … über den Gladiator in einer römischen Arena, dem von verdorbenem Fleisch übel war, dann das, wie Sie schlecht sehen konnten, weil Ihre Augen vom Staub und grellen Sonnenschein entzündet waren, ich meine, in dem Ägypten-Bit …“
„Ägypten-Bit?“ wiederholte Diablo. „Mann, Sie bringen mich am laufenden Band aus dem Gleis.“
„Der Mann im leinenen Hüftrock und mit Peitsche, das Aufheben eines Lehmziegels in der Form eines Brotlaibs. Das ist alles so verdammt plastisch!“ Conroy klatschte eine Faust in die andere Handfläche. „Das sind keine Einzelheiten, an die man sich nach bloßen Halluzinationen erinnert. Das ist die Sorte von überflüssigen kleinen Details, wie sie einem im wirklichen Leben im Gedächtnis hängenbleiben, so wie wenn man auf einen Berggipfel steigt und wird dann weniger von der schönen Aussicht als von der Blase an der Ferse in Anspruch genommen. Verstehen Sie, was ich meine?“
„Sicherlich, ja.“ Diablo nickte. „Das ist ein Punkt, den habe ich übersehen, obwohl mir das nicht hätte passieren dürfen. Ich war selbst immer stolz darauf, in die Darbietungen für meine Propagandasendungen solche winzigen, aber augenfälligen Kleinigkeiten einzuarbeiten, die dem Ganzen schon allein den Anschein von Echtheit verliehen.“ Er zerrte so heftig an seinem Bart, daß es aussah, als wolle er ihn büschelweise ausreißen. „Weiter. Was hat Sie außerdem dazu veranlaßt, Madison zu fragen, wer er sei?“
„Der Umstand, daß er Miss Clays rundheraus gestellte Frage, ob er derjenige war, durch den ihr Auftritt in der Klinik vermasselt worden ist, schlichtweg bejaht hat. Stimmt’s, Miss Gay?“
„Ich hatte den Eindruck, daß Harry wußte, was ich meinte, ohne daß ich’s näher zu erklären brauchte“, bestätigte Lyla; nervös betrachtete sie den Nieb. „Aber … äh … finden Sie’s richtig, daß wir über ihn reden, als wäre er gar nicht hier im Zimmer anwesend?“
„Für mich sieht’s so aus, als mache sich Harry selbst verbrecherischen Schweigens schuldig“, sagte Diablo ohne jeden Humor. „Den ganzen Nachmittag lang versuchen wir schon, ihm das eine oder andere unmißverständliche Ja oder Nein zu entlocken. Aber womöglich gelingt’s uns, ihn durch ausgiebiges Reden über ihn genug zu ärgern, um ihn zu ein paar aufschlußreichen Bemerkungen zu provozieren. He, Harry?“
Madison zeigte einen kaum wahrnehmbaren Ansatz zu einem Lächeln und bewahrte auch weiterhin Schweigen.
„Tja, wenn Sie’s halt unbedingt so wollen …“, meinte Conroy. „Nun gut, abgesehen von dem richtigen Orakel, das sich zu einer Echofalle entwickelt hat, und diesem chaotischen Humbug über einen Mann mit sieben Gehirnen …“
„Daran habe ich mich erinnert!“ Urplötzlich setzte sich Lyla kerzengerade auf. „Mein Gott, wieso konnte ich das wieder vergessen?! Als ich bei Mikki Baxendale am Boden kauerte und Madison beobachtete, da habe ich den Satz ständig wiederholt: ‚Ich traf einen Mann mit sieben Hirnen’.“
„Hier wird sich auf einmal auf verdammt viel wieder besonnen“, bemerkte Reedeth sarkastisch. „Prophezeiungen nach Eintreten des prophezeiten Ereignisses haben mich allerdings noch nie sonderlich beeindrucken können.“
„Mag sein“, erwiderte Conroy. „Aber wie steht’s mit vorher gemachten Prophezeiungen? Jim, würde ein Patient in der Ginsberg-Klinik Zugang zu einem DreiDe-Tele haben, mit dem sich Niebs-Propaganda empfangen läßt, zum Beispiel eine Show Diablos, wiedergesendet über einen chinesischen oder nigerianischen Satelliten?“
„Nein, selbstverständlich nicht. Alles was die Persönlichkeit aufwühlt, zumal etwas, das an Schuldgefühle rührt, hätte verheerende Folgen. Draußen kann man dergleichen verkraften, weil’s genug Zerstreuung gibt, aber in der abgesonderten Welt der Klinik – nein, kein Zweifel, so was könnte nicht erlaubt werden.“
„Mit anderen Worten …“, begann Conroy, aber ein Ausruf Flamens unterbrach
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