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Das Gottschalk-Komplott

Das Gottschalk-Komplott

Titel: Das Gottschalk-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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quer auf der Brust eine Brandwunde.
    Zu guter Letzt gewann sie genug Gefaßtheit zurück, um daran zu denken, das Licht zu löschen, das Fenster zu schließen – ganz vorsichtig, von der Seite und mit ausgestrecktem Arm – und den Heinzelmann wieder in seine Nische zu stellen, sich entfernt darüber im klaren, daß es, hätte sie ihn tatsächlich zum Fenster hinausgeworfen, einen Riesenkrach mit Dan gegeben hätte. Die siebentägige Probezeit lief morgen ab, und wenn sie ihn dann nicht retournieren konnten, mußten sie zweitausend Mäuse blechen.
    Anschließend spähte sie durchs Fenster nach draußen, um zu schauen, was sich eigentlich tat. Eine Nebenwirkung der Happy-Pillen bestand darin, daß sie das Hörvermögen stark herabsetzten; sie mußte mit ihrem Gehör durch eine Art von dämpfendem geistigen Schleier lauschen, um die leisen Geräusche von außerhalb erfassen zu können, doch nun, da sie ihre Aufmerksamkeit voll darauf richtete, bemerkte sie ein vertrautes auditorisches Wahrnehmungsmuster, das ihr im normalen Zustand sofort schockhaft in die Knochen gefahren wäre. Kaum hörbares Singen und Trommeln erscholl, als könne man plötzlich den Kreislauf des Monstrums Stadt hören wie über einen Verstärker den menschlichen Pulsschlag; das Schreien eines Kindes, auf der Straße zwischen Polizeibarrieren gefangen, die Eltern zu feige, um herauszukommen und einzugreifen; einmal war sie dabeigewesen – im Alter von etwa vierzehn Jahren –, wie ein Ehepaar mit Mittelschicht-Status, sich während eines Krawalls, in dem ein Sohn der beiden festhing, in aller Ruhe darüber unterhielt, ob es, falls man ihn später tot auffand, noch ein Kind haben solle, oder ob man zu alt sei, mit einer Adoption vielleicht besser beraten …
    In ihrer Erinnerung ertönte plötzlich die Stimme des Gottschalk-Neuen, wie er ihnen … was anbot?, … Knarren einschließlich Fabrikgarantie für bloß dreiundsechzig Eier …’ In blinder Wut ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Vermutlich war das da draußen wieder einer ihrer schmutzigen Verkaufstricks. Derlei gehörte zum üblichen Repertoire der Gottschalks: Sie suchten eine Wohngegend aus, in der ihr Absatz unterdurchschnittlich blieb, schürten dort die Gerüchte, bis irgendwem der Geduldsfaden riß und es zur unvermeidlichen Frontstellung zwischen Blanks und Niebs kam, und am nächsten Tag nutzten sie die Entnervtheit der Menschen aus, um Schußwaffen, Granaten und Minen zu verkaufen.
    Aber da unterbrach einen Dröhnen aus der Höhe ihren Gedankengang, und sie kauerte sich unterhalb des Fensterbretts nieder, um nach oben zu spähen. Sie sah einen Kampfhubschrauber der Polizei unter seinen Rotoren dahinschweben und begriff im selben Augenblick, daß sich draußen nicht bloß ein Reklamegag der Gottschalks abspielte. Das dort oben war einer der großen Apparate, dazu imstande, ganze Häuserblocks einzuebnen. Sie hatte so etwas schon in den Nachrichtensendungen sehen können …
    Nachrichten! Sie besaßen jetzt einen DreiDe-Tele, oder nicht? Sie ging hinüber, wütend über die eigene Vergeßlichkeit, machte wieder kehrt, um erst das Fenster zu verdunkeln – mit dem Schießwütigen draußen ließ sich anscheinend nicht spaßen, und es war möglich, daß er auf den Widerschein des Bildschirms feuerte, selbst wenn sie das Gerät vom Fenster wegdrehte –, dann folgte sie dem Verlauf des Kabels, das am Boden lag, bis sie den Kontakt fand. Als sie ihn an die Wand drückte, begann der Fernsehapparat zu summen.
    Die Holokosmos sendete Werbung. Natürlich, die Haupteinschaltzeit hatte schon längst angefangen. Der Global brachte Werbung. Werbung vom Njet-Njet-Sender (Njet-Njet sagte man scherzhaft für NY/NJ, also New York und New Jersey). Werbung von PanKan …
    Was war das? Da betätigte sich irgendein nicht gekennzeichneter Sender, genau zwischen PanKan, der großen kanadischen Fernsehanstalt, deren Ausstrahlungen man hier über eine Starrantennen-Relaystation in zwanzigtausend Meter Höhe empfing – die Station kreiste nicht in einer Umlaufbahn, sondern hing wie ein Drache an einem monomolekularen Kabel –, und dem Nachbarkanal, ausschließlich dem französischsprachigen Programm Quebecs vorbehalten. Etwas flimmerte über den erhellten Bildschirm, das gar nicht vorhanden sein durfte.
    Behutsam drehte sie den Knopf und adjustierte den Empfang genau auf den Zwischenbereich, und da sah sie einen fetten Knieblank in westafrikanischer Gewandung grinsen und in verwaschenen Farben

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