Das Grab der Königin
Jenna erwartete und mir dabei um den Hals fiel.
»John!« flüsterte sie, »mein Gott, John. Daß ich dich noch lebend sehen kann. Ich habe keinen Pfifferling mehr für dein Leben gegeben. Wirklich nicht John.«
»Ich auch nicht.«
Sie sah meine blutigen Hände und sprach von einem Verband.
»Pflaster werden reichen, Mädchen. Die liegen im Verbandskasten, und den haben wir mitgenommen.«
»Nur der Dunkle Gral fehlt uns«, sagte Suko mit leiser Stimme. »Es tut mir leid, ich habe es nicht verhindern können.«
»Ich weiß, mein Freund.«
»Haben wir verloren?« fragte Jenna. »Du hast auf der Treppe mit den Geisterfrauen gesprochen. Was sagten sie dir?«
»Sie haben Furcht davor, daß alles zu spät sein könnte. Morgana Laytons Plan ist aufgegangen.«
»Können wir nicht etwas ändern?«
»Vielleicht. Wichtig jedenfalls ist eines, das haben sie mir deutlich genug zu verstehen gegeben. Wir müssen das Grab finden. Es geht kein Weg daran vorbei.«
Nach diesen Worten schauten Suko und ich gemeinsam auf Dr. Jenna Jensen, die jetzt der wichtigste Part war. Sie fühlte sich unwohl. Die Last der Verantwortung drückte zu schwer auf ihre Schultern.
»Ich weiß nicht…«
»Sollen wir den Turm nicht verlassen?« schlug Suko vor. Er deutete auf die Trümmer. »Ich will nicht noch einmal in Deckung gehen und auf mein Glück vertrauen.«
Dagegen hatte keiner von uns etwas einzuwenden. Nur war es wieder mühsam, den Turm zu verlassen. Wir wühlten uns der Reihe nach über den Schuttberg. Suko half Jenna, die sich den Dreck aus der Kleidung klopfte und in die Höhe schaute.
»Turm der flüsternden Geister ist er genannt worden«, sagte sie leise und nickte. »Ich glaube wirklich, daß man sich mit der Bezeichnung nicht geirrt hat. Waren es Geister, mit denen du gesprochen hast, John?«
»Ich würde sie auch als solche ansehen.«
Suko war schon vor zum Wagen gegangen. Jenna und ich folgten ihm. Die junge Wissenschaftlerin hatte sich bei mireingehakt. »Glaubstdu, daß wiresschaffen können?«
»Das liegt an dir.«
»Du meinst, ich muß das Grab der Königin finden.«
»Richtig.«
Sie hob die Schultern. »Es ist nicht meine erste Reise in das alte Saba. Damals bin ich vor den Wölfen geflohen, weil ich Furcht hatte, daß sie mich zerreißen würden. Mir sollte es nicht so ergehen wie meinen angeheuerten Helfern. Ich habe am Tage gesucht, auch in der Nacht, doch ich habe das Grab weder im Hellen noch in der Dunkelheit finden können. Das ist es, was mich so skeptisch macht. Diese Nacht ist sehr dunkel. Trotz des Lichts der Gestirne.«
»Und kühl.«
Jenna lachte leise. »Das haben Wüstenstriche in der Nacht so an sich. Tagsüber kochen sie, in der Nacht frieren sie.«
Suko erwartete uns am offenen Heck des Jeeps. Er hatte noch einmal nachgeschaut und nur den Verbandskasten hervorgeholt, um die Innenflächen meiner Hände zu verpflastern.
»Der Dunkle Gral ist verschwunden«, erklärte Suko. »Es tut mir leid, John, da war nichts zu machen.«
Ich winkte ab. »Keine Vorwürfe, Alter. Morgana Layton war eben stärker als wir.«
»Hoffentlich setzt sich das nicht fort.« Er schaute in die Runde. »Fahren wir?«
Ich hatte nichts dagegen. Über die Richtung brauchten wir nicht zu diskutieren, die konnten wir beibehalten. Ich wandte mich mit meiner Frage an Jenna Jensen. »Sag mal, wie weit könnte es noch bis Marib sein?«
Sie hob die Schultern und überlegte einen Moment. »Eine Stunde, mehr auf keinen Fall, John.«
»Und was bekommen wir zu sehen?«
»Einen Teil der Staumauer und des Tempels. Ruinen, die leider nicht reden können.«
»Manchmal doch.«
»Wie meinst du das?«
»Das müßtest du als Archäologin doch wissen. Für euch reden die Steine, oder nicht?«
Sie lachte leise. »Schon, aber leider nicht in diesem verflixten Fall.«
Suko hatte wieder auf dem Fahrersitz seinen Platz gefunden. Er startete den Motor und drehte den Wagen.
Da wir von der normalen Route abgekommen waren, mußten wir den Weg auch wieder zurückfahren.
Diesmal bergab. Das war nicht einfach, aber Suko schaffte es, auch wenn wir durchgeschüttelt wurden.
Auf der normalen Fahrtroute drehte ich mich noch einmal um und schaute schräg zurück.
Da stand der Turm wie ein gegen den Nachthimmel gemaltes Bild. Wuchtig, unheimlich. Es fehlten nur mehr die großen Vögel mit ihren gewaltigen Schwingen, dann wäre das unheimliche Bild perfekt gewesen. Wir konnten hinkommen, wo wir wollten, unsere Welt brachte immer mehr
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