Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Grab der Legionen

Das Grab der Legionen

Titel: Das Grab der Legionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Krohn
Vom Netzwerk:
selbst. Aber er durfte keinesfalls etwas namens des Ältestenrats versprechen. Das ist sein Fehler, nicht der Einfall! Meinst du, ich schätze Keri nicht? Sogar sehr. Du weißt wohl, was ich wünschte... Wenn jedoch ein Kriegerführer tut, was ihm gut dünkt, muß man ihn darauf verweisen, wer den Befehl trägt. Unfriede käme in die Burg, wäre es anders."
    „Wie das?" Rega hob die Brauen. „Entweder hat er recht oder unrecht. Etwas anderes gibt's doch nicht."
    „In zwanzig oder dreißig Jahren wird auch dir klar sein, daß die großen Ideen der jungen Leute ihre Mängel haben. Hier ist es ganz einfach. Gesteht ihm der Rat heute zu, mit einem Gefangenen nach eigenem Gutdünken zu verfahren, müßte man morgen schweigen, wenn die Krieger selbst über die Aufteilung der Beute entscheiden. Übermorgen würde ihr Anführer in der Burg befehligen, und es gäbe zwei Sorten Iberer: die Waffenträger und die anderen."
    „Aber Vater! Keri will doch kein König sein."
    „Was er tut, sieht ganz danach aus. War es in den anderen Ortschaften anders - drüben am Iberus und an der Küste? Sie haben sich dem Einfluß des Bundes entzogen, und wir alle sind schwächer geworden. Für die Römer war es leicht, ihre schmutzigen Finger hineinzustecken, sobald erst einmal Streit entstanden war."
    Die Tochter schüttelte den. Kopf. Gewiß glaubte sie dem Vater, aber dennoch blieb Unsicherheit.
    „Keri muß lernen, geduldiger zu sein", sagte Senkin nachsichtig und legte Rega die Hand auf den Nacken. „Wenn es ihm gelingt, die Mehrheit der Ratsmitglieder von seinem Plan zu überzeugen, hat alles seine Ordnung. Aber eben das muß er tun!
    Mädchen, ich wünschte, du nähmest ihn zum Mann. Du würdest ausgleichend auf ihn wirken. Zwar bist du unruhig wie er, doch weibliche Klugheit... Vielleicht könntest du sogar..." Er stockte.
    „Was bitte, Vater?"
    „Wenn du mit dem Römer sprächest? Was ist deine Meinung?"
    „Ich?"
    Senkin verließ das Zimmer, ehe Rega antwortete. Unschlüssig verharrte sie, denn der Vorschlag erschien ihr ungeheuerlich. Unmöglich. Unmöglich?

V
In Numantia
    Seit dem Mittag verfinsterte sich der Himmel. Heftiger Westwind blies Wolkenmassen heran, und die ersten Regenschauer stürzten nieder. Vor den primitiv gebauten Häusern standen die Iberer und schauten auf das tobende Wetter. Nun würde Ruhe ins Hochland einkehren. Selten wagten sich während der unwirtlichen Jahreszeit Fremde hierher.
    Numantia lag auf einem Hügel über dem Duro - dem Durius, wie die Römer ihn nannten. So hatte der Sturm freie Bahn. Erde, Sand und Laub wurden hochgewirbelt und weit fortgetragen. Auf den schwächlichen Mauern verbargen sich die Wachposten in Nischen und Spalten, zitternd vor Kälte und Nässe. Von einem Tag zum anderen schlug das Wetter um. Unwiderruflich war nun der Sommer vorbei. Dreißig oder mehr Tage würde es häufig regnen und stürmen. Danach wurde es trockener und eisig - der Winter kündigte sich an.
    Man wickelte sich enger in die Mäntel. Nur selten fand sich ein Feuer, denn Holz war knapp. Trockenes Gras und Gestrüpp, schwächliches Zeug, das rasch verbrannte und kaum wärmte, diente zum Heizen der Hütten und zum Kochen.
    In den fast rechtwinkligen Straßen Numantias - seinerzeit hatten die griechischen Stadtkolonien an der Küste als Modell gedient tobte sich der Herbststurm aus. Nichts setzte ihm Widerstand entgegen. Erst weiter oben, an den Mauern der Hauptburg, staute er sich. Dies war die einzige wirklich befestigte Anlage der gesamten Siedlung, sonst schützten nur provisorische Hindernisse. Die Numantiner vertrauten der Stärke und dem Mut ihrer Krieger, nicht der Dicke der Wälle. Weder Hannibal noch die Römer hatten je die Mauerkrone bestiegen. Der, dessen Truppen diesem Ziel bislang am nächsten gekommen waren, der römische Feldherr Fulvius Nobilior, hatte mit einer verheerenden Niederlage dafür bezahlt. Ganz Numantia rühmte sich noch immer dieses Sieges.
    Daß ein Ältestenrat die Stadt regierte, verstand sich für die Arevaken von selbst. Aber in Kriegszeiten mußte einer befehlen, und jetzt herrschte seit langen Jahren Krieg. Nicht ohne Bedenken hatten die Ältesten das Kommando dem bewährten Krieger Litennon übertragen.
    In einem ärmlich eingerichteten Raum der Hauptburg beriet Litennon gerade mit seinem Freund die Lage.
    „Was versprechen sich die Ältesten aus Lutia davon, uns den Rücken zu kehren?" fragte er ungeduldig.
    Der Ratgeber hob die schmächtigen Schultern. Trotz des

Weitere Kostenlose Bücher