Das Grab der Legionen
Das war so wenig seine Art, daß Verinus. Schlimmes ahnte. Der Aufseher mußte etwas wissen. „Tella?"
„Ja... Ihr Herr schickte sie mit ein paar anderen wegen Widersetzlichkeit nach Sizilien auf sein Landgut, und da sieht es zur Zeit recht unruhig aus."
„Wie - was meinst du mit ‚unruhig'?"
Abermals zauderte Melus. Das auszusprechen, was er wußte, war gefährlich. Erfuhr die Obrigkeit, daß er die Gerüchte weiterverbreitete, würde ihn nicht einmal die Nachsicht der Domina vor dem Kreuz retten. Außerdem war die Herrin in letzter Zeit gereizt und unberechenbar.
„Dort in Sizilien gibt es viele... Wie soll ich sie nennen? Sagen wir es so: Da sind irregeleitete Sklaven, die die göttergewollte Ordnung in Frage stellen. Einige Dutzend oder hundert wurden geköpft oder gekreuzigt... Das versteht sich. Doch scheinen nicht alle Unruhestifter in die Hände der Legionen gefallen zu sein."
„Du willst andeuten...? Das ist doch Wahnsinn! Wer den Kopf hebt, der muß sterben. Schon immer war es so."
„Du weißt das, Verinus, und ich weiß das. Jene vergaßen es offenbar. Am ärgsten gärt es bei Tauromenium ."
„Und gerade dort ist das Landgut der Cassier!"
„Ebenda. Im Übrigen vergiß, daß ich dir etwas darüber gesagt habe! Man soll davon nicht sprechen."
Verinus nickte bedrückt. Wie die Dinge lagen, hatte er Tella verloren. Nur eine winzige Chance blieb: Wenn man ihn bei Titus' Wiederauffinden freiließ... Er lachte böse, so gering war diese Möglichkeit. Einen Toten erweckte niemand zum Leben.
„Ich werde die Götter bitten, den jungen Herrn aus der Gefangenschaft zu befreien", sagte Melus. „Ich will nicht auf einem Landgut zugrunde gehen."
Auch dazu äußerte sich Verinus nicht. Er hielt es für erwiesen, daß der Senatorensohn längst tot und begraben war.
„Edle Herrin", sagte Cajus Menetius und senkte heuchlerisch den Kopf mit den dunkelblonden Haaren. „Einige Eisenfresser der Statthaltergarde stehen in meinem Sold. Sie berichteten mir, du wünschtest mich zu sprechen. Hier bin ich."
„Ich sandte meinen Aufseher”, korrigierte sie.
„Er würde mich nicht gefunden haben, ich bin sehr selten in meiner Behausung. Der Dienst des Senats ruft. - Was kann ich für dich tun?"
Calpurnia winkte dem aufwartenden Sklaven, Wein und Speise zu bringen. Gleichzeitig sagte sie zu dem Gast: „Ich habe heute schon viel zu mir genommen. Entschuldige daher meine Zurückhaltung."
Der Exilgrieche verstand sehr gut, daß die Römerin es ablehnte, mit ihm zu speisen - sei es auch nur ein Stück Brot. Daß er deswegen keine Miene verzog, gehörte zur Erziehung eines Spions. „Mir scheint, Herrin, du riefst mich, damit ich nach dem verschollenen Titus Fulvius Flaccus suche. Nur liegen die Verhältnisse so, daß ich dir da nicht zu Diensten sein kann."
„Wollen sehen", erwiderte sie gemessen. Ihr war die Warnung eines Freundes in Rom gegenwärtig. Jener hatte angedeutet, Cajus Menetius könne selbst aufs engste in den Mord verwickelt sein. Als Senatsbeauftragter... Immerhin gab Scipio die diesbezüglichen Anweisungen, und der hatte den Toten seit langem gehaßt.
„Ich biete dir eine für dich wertvolle Information und möchte dafür, daß du meinen Sohn findest."
„Herrin!" Menetius seufzte beinahe echt. „Du weißt selbst, daß der Centurio gefangengenommen wurde. Es ist iberische Sitte, Gefangene zu opfern. Dem Netos, einer heiligen Eiche und so weiter. Frage, wen du willst, niemand wird etwas anderes sagen."
„In diesem Fall will ich wissen, wo er starb. Und der Tote muß verbrannt, die Asche nach Rom überführt werden. Das wirst du doch zuwege bringen, oder?"
„Ich weiß nicht, Calpurnia. Mein Vorgesetzter ist der Censor, der gnädige Herr Cornelius Scipio Africanus. Erfährt er, daß ich dir einen solchen Gefallen getan habe, ergeht es mir übel. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Fulviern und den Scipionen sind schließlich auch mir bekannt."
„Es ist eine Sache, die nur uns beide betrifft. Ich werde dem Senat bestimmt nichts mitteilen."
Der Grieche lächelte. Er dachte an seinen Mitarbeiter Lucius Aurelius, das kontrollierende Auge Scipios. Als ob der nicht unverzüglich berichten würde! Wie stellte sich diese harmlose Frau wohl den Spionagedienst vor?
„Cajus Menetius", sagte sie sanft. „Wenn du nicht dafür geeignet wärst, säße ich bei Atilius und Pompejus. Die aber haben hohle Köpfe voll Wasser. Reden wir also vom Preis."
„Ich darf nicht, Calpurnia", versetzte
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