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Das Grab der Legionen

Das Grab der Legionen

Titel: Das Grab der Legionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Krohn
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Jubelschrei hallte über die Wartenden. In diesem Augenblick schien der Schütze wieder zum Kind geworden zu sein. Er warf den Bogen zur Erde und tanzte umher, als habe er einen Weinkrug geleert.
    Mit trotziger Verbissenheit spannte der fünfte Bursche seine Waffe. Er hatte nichts mehr zu verlieren, aber alles zu gewinnen. Traf er nämlich, mußte noch einmal gekämpft werden.
    Das Geschoß schien nach links abzutreiben, aber dann schlug es einen Fingerbreit höher als das andere in den schmalen Stamm. Urplötzlich verstummte der Jubel.
    Einen derartigen Schuß zu erleben war schon eine Seltenheit, von der tagelang zu sprechen war. Ein zweiter gleich danach...? Hatten gar böse Geister dem Schützen geholfen?
    Blitzschnell erahnte Sagil die Möglichkeit, sein Ansehen zu stärken. „Netos erhörte euren aufrichtigen Wunsch", verkündete er. „Dankt ihm, ihr beide, denn sein Wille war es, der euch das Ziel treffen ließ."
    „Die Gottheit möge mir helfen." Fast gleichzeitig sprachen es beide aus. Der Oberpriester war sehr mit sich zufrieden.
    Was nun? Das Herkommen bestimmte: Einer nur kann bester Bogenschütze sein. Wer war es? Die Gottesdiener beratschlagten leise.
    „Ich wurde erleuchtet", sprach Sagil. „Eine Aufgabe steht euch bevor, eurer Meisterschaft würdig. - Man hänge einen Stein an einem Lederriemen auf! Wessen Pfeil diesen Riemen zerreißt, kann sich Bester Numantias nennen. Möge der Gott den Sieger küren!"
    „Er möge mir helfen... Ein Schuß?"
    „Nein. So viele Pfeile, bis der Stein fällt."
    Jeder wußte, was das bedeutete. Einige Halbwüchsige richteten das neue Ziel her. Als der faustgroße Kiesel am Riemen baumelte, verstummte auch der Geschwätzigste. Eine solche Prüfung hatte es seit Menschengedenken nicht gegeben.
    Scharf knallte der erste Pfeil gegen die Mauer. Höchstens einen Finger breit war er am Leder vorbeigeflogen. Einen Augenblick später zersplitterte das zweite Geschoß etwas höher, ohne mehr auszurichten. Pfeil auf Pfeil zischte von den Sehnen, bewegte bisweilen den Riemen und landete wirkungslos auf der Erde.
    Trotz des außergewöhnlichen Wettkampfs begann die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu erlahmen. Da schwirrte wieder ein Geschoß heran - der Stein tanzte wild hin und her. Sagil hob die Hand. Zwei Jünglinge stürmten hin, um nachzusehen.
    „Der Riemen ist nur halb zerrissen", berichteten sie.
    Der Priester winkte stumm. Die Prüfung ging weiter.
    Es war also möglich! Beide strengten sich doppelt an.
    „Netos, hilf mir!" murmelte jener, der vorher als zweiter den Stamm getroffen hatte, und visierte mit zusammengebissenen Zähnen. Sein Pfeil surrte davon - polternd stürzte der Stein zu Boden. Unmöglich, den Jubel der Numantiner wiederzugeben. Ein Begeisterungssturm brach los und verschlang den überglücklichen Schützen.
    Sagil wartete, daß der Sieger zu ihm kommen und seinen Dank aussprechen, vielleicht etwas opfern würde. Vergeblich. Niemand kümmerte sich um ihn und den anderen Priester.
    „Sie achten die Gottheit ungenügend", tadelte er Zuschauer und Bogenschützen zugleich. „Mögen sie sich vor Netos' Vergeltung hüten! - Gegen Abend gehst du zum Zweitbesten. Sage ihm, auch er hätte Sieger werden können, hätte er den Unsterblichen treuer und aufrichtiger gedient. Es wäre aber noch oft Gelegenheit, sich ihrer Gnade würdig zu erweisen. Falls ihm an unserer Fürsprache läge, möge er sie erwerben."
    „Und wie?"
    „Das werden wir bedenken, sobald er kommt. Ohne treue Anhänger wird das Heiligtum nie den gebührenden Einfluß ausüben."
    Während sich beide Priester entfernten, wurde das Jubelgeschrei lauter. Weinkrüge tauchten auf. Bis zum Abschluß der Spiele hatten die jungen Burschen auf den Genuß verzichten müssen. Desto mehr erfreuten sie sich nun des herbsüßen Tranks.
    Litennon zwängte sich durch das Gewühl. Mit strahlender Miene gratulierte er dem Sieger. „Sobald wieder eine Schar gegen die Römer auszieht, magst du zu mir kommen. Du wirst mitreiten dürfen, und die Legionäre werden deine Pfeile fürchten. Großer Ruhm ist dann dein."
    „Und große Beute", fügte der Schütze hinzu.
    Gedankenschnell huschte ein Schatten über Litennons Miene, als er bestätigte: „Und großartige Beute. - Freue dich jetzt mit den anderen", fuhr er fort, „aber vergiß deinen unterlegenen Gefährten nicht! Einer nur kann siegen, und er kämpfte wacker."
    „Du hast recht, Ältester", bekannte der junge Mann und blickte beschämt zu

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