Das Grab der Legionen
und ähnliche Massengutfertigungen.
„Er sagte uns auch, wir würden in Familien zusammengeschlossen ein Mann und je zehn oder zwölf Sklavinnen. Und dann..."
„Und dann?" brach Senkin ein lastendes Schweigen.
„Und dann", Myrkan überwand sich, „erklärte er, jede Frau werde freigelassen, sobald sie acht Kinder geboren habe. Diese freilich blieben sein Eigentum. Den Männern versprach er die Freiheit, wenn in der Familie zwanzig Kinder zur Welt gekommen sind... Diese Bestie!"
Titus glaubte, alle blickten nur ihn an. Aus tiefster Seele schämte er sich für den anderen, der sich auch einen Sohn Roms nannte. Noch vor kurzem hätte er gesagt, ein Offizier sorge sich nicht um dergleichen... Hätte er sich nicht doch kümmern sollen?
„Und niemand wehrte sich?" fragte Keri anklagend.
„Wie denn? Mit bloßen Fäusten?" Myrkan lachte bitter auf. „Lentulus hat viele Soldaten um sich, und auch seine Aufseher tragen Schwert und Dolch. Doch als ihr das Gut angegriffen habt, sind viele von uns davongelaufen. Ich entkam - die anderen..." Seine Handbewegung deutete an, was jenen geschehen sein mochte. Auf einen Fluchtversuch stand im Allgemeinen der Tod.
„Ihr wart gefesselt?"
„Ketten um die Fußgelenke. Laufen konnten wir dennoch, und keine hundert Mann hätten mich festgehalten. Was hatte ich zu verlieren? Das Leben. Das Leben?"
„Ich glaube, du bist bei uns willkommen!" sagte Titus plötzlich und reichte Myrkan die Hand, eine Geste, vor Tagen noch undenkbar für ihn. Doch er konnte nicht anders.
Keri blickte betroffen zu ihnen. Er hatte das dem Römer auf keinen Fall zugetraut.
XI
In Ocilis
Bereits in der Umgebung Arcobrigas hatten sie die Nähe der Grenze gespürt. Verstärkte Posten und häufige Reiterpatrouillen hielten die Kutscher ein um das andere Mal auf. Zeitraubende Überprüfungen schlossen sich an. Melus verstand wenig vom Krieg, aber das begriff er doch: Die Legionäre mißtrauten allem, und das bedeutete, sie fürchteten die Arevaken. Niemand brauchte sich darüber zu wundern; sie selbst hatten es auf der Reise erlebt - aus heiterem Himmel ein Überfall, der Tote und Verwundete gekostet hatte. Der Aufseher erinnerte sich ungern daran, denn in Ocilis war der Tribun Oberster Gerichtsherr. Was der mit dem wiedereingefangenen Verinus tun würde, war jedermann klar. Nicht einmal die Domina hätte das Urteil mildern können. Die Flucht erfolgte während einer Kriegshandlung, also waren die Legionen für die Bestrafung zuständig. Und er tat gut daran, sich jeder Stellungnahme zu enthalten. Die Vollmacht-der Herrin reichte weit, gegen die Weisung des amtierenden Tribuns war sie weniger als ein verdorrtes Blatt.
„Verinus, du bist tot", murmelte er, obgleich der Gefesselte weiter hinten in der Kolonne taumelte, von Stockschlägen und Speerstößen getrieben. „Schade, wir verstanden uns gut. Was mußtest du auch so dumm sein!"
An Brennus dachte er lieber nicht. Das würde einen üblen Rüffel setzen, und wahrscheinlich stand es um Freilassung und Belohnung schlecht.
Das Stadttor öffnete sich, sie waren in Ocilis. An den wachhabenden Legionären vorbei zog der Wagenkonvoi auf einen Platz vor der Garnison. Ein Offizier gab verschiedene Befehle, von denen Melus nichts verstand. Die Eskorte entfernte sich, der Anführer der Kutscher trat zu ihm. Man hatte das Reiseziel erreicht, der Vertrag mit dem Kaufmann war erfüllt.
„Du bist der Herr Melus?" Ein Legionär grüßte stramm.
Der Aufseher beschloß, das unzutreffende „Herr" überhört zu haben, und nickte.
„Der Tribun bittet dich zu sich. Folge mir unverzüglich!"
„Sofort." Melus gab dem verbliebenen Sklaven die Weisung, sich um die Herberge zu kümmern. Dann ging er mit dem Soldaten.
In einem Raum des Prätoriums hatte Servius Älius sein Domizil aufgeschlagen. Die Rückkehr der Suchabteilung und das Eintreffen der Proviantkolonne fielen zusammen - Grund genug für ihn, die Vorkommnisse auszuwerten.
Ein Posten trat ins Zimmer. „Tribun, ich melde, der Herr Melus ist zur Stelle."
„Herr Melus? Soso. Herein mit ihm!"
Dem Illyrer wurde es schwer, seine Verlegenheit zu überwinden. Von Mus hatte er schon dies und das gehört. Und nun sollte er ihm Rede und Antwort stehen. Nun ja, durch die Sache mit Brennus und Verinus ließ sich das nicht umgehen.
„Deine Vollmacht!" sagte der Oberst statt eines Grußes. Er nahm den Papyrus und studierte ihn und besonders das Siegel darunter.
„Gut, ich begreife", meinte er dann. „Die
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