Das Grab des Herkules

versuchte ihren nächsten Schritt vorauszuahnen. Sie packte den Feuerlöscher fester und wartete auf einen günstigen Moment, um zuzuschlagen.
    Nina hatte unterdessen das Ende der Leiter fast erreicht. Die Leiter wackelte jetzt stärker, was bedeutete, dass der Verfolger immer näher kam.
    Chase hob seine Waffe auf und riss sie hoch. Dann rannte er ins Freie, zielte auf den Mann auf der Leiter …
    Ein neues Geräusch mischte sich unter den ohnehin bereits ohrenbetäubenden Lärm, ein tiefes, bedrohliches Dröhnen. Zwei schmierige Abgaswolken schossen wie Teufelshörner aus dem Bohrgerät in der Mitte des Raums hervor, als der Motor brüllend ansprang. Mit knirschendem Getriebe setzte sich die Maschine ruckartig in Bewegung …
    In Chases Richtung.
    »Scheiße!« Die zwischen den Bohrköpfen angebrachten Scheinwerfer schalteten sich ein und blendeten ihn, während die große Maschine in erstaunlichem Tempo auf ihn zurollte. Er feuerte einen Schuss ab und traf einen der Scheinwerfer. Doch weder das Bohrgerät noch dessen Fahrer ließen sich davon beeindrucken. Als wären sie erbost über den Angriff, begannen sich die Bohrköpfe zu drehen, wobei Erdbrocken umhergeschleudert wurden.
    Chase machte kehrt und rannte auf die Aufbereitungsanlage zu.
    »Eddie!«, rief Sophia, doch sie wurde übertönt vom Lärm des Bohrgeräts. Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit genügte, und der Minenarbeiter ergriff die Gelegenheit …
    Nina hatte nun das Ende der Leiter erreicht und blickte von der in schwindelerregender Höhe befindlichen Plattform auf Chase hinunter, der vor dem Bohrgerät flüchtete. Sophia rang mit dem Minenarbeiter, und ihr eigener Gegner kam unerbittlich näher. Sie hielt sich am Geländer fest und ging zur anderen Seite der Plattform. Unter ihr rumpelte das Förderband vorbei, das direkt ins Maul des Häckslers führte. Sie langte nach dem Handlauf der zweiten Leiter – und entdeckte einen weiteren Mann. Er war aus einer der Bauhütten getreten, hob die MP-5 des Minenarbeiters auf, den Chase erschossen hatte, und zielte – nicht auf sie, sondern auf die Weiterverarbeitungsanlage, um die Chase soeben herumbog!
    »Eddie, zurück !«, schrie Nina panisch.
    Trotz des Maschinenlärms hörte Chase seinen Namen heraus und schlussfolgerte, dass Nina ihm eine Warnung zugerufen hatte. Geistesgegenwärtig warf er sich gegen die Anlage, da pfiffen die Kugeln bereits an ihm vorbei. Ein weiterer Bewaffneter auf dem Laufgang. Und er hatte ihn im Visier.
    Das Bohrgerät rumpelte hinter ihm um die Weiterverarbeitungsanlage herum und drehte sich auf den Raupen wie ein Panzer. Das Metall kreischte.
    Chase hatte nicht genug Platz, um zwischen den Bohrköpfen und der Anlage auszuweichen. Und wenn er versucht hätte, sich auf der anderen Seite des Bohrgeräts in Sicherheit zu bringen, wäre der Mann mit der Maschinenpistole zum Schuss gekommen …
    Sophia rang mit dem Mann auf dem Laufgang, der ihr den Feuerlöscher zu entwinden versuchte. Sie trat ihn in den Unterleib, doch er wich seitlich aus und fing den Tritt mit dem Oberschenkel ab. Er grinste höhnisch über den leicht zu durchschauenden Angriff – worauf Sophia die Hand um den Griff des Feuerlöschers schloss und ihm grimmig einen Strahl eiskalten Kohlendioxids ins Gesicht sprühte.
    Der Mann keuchte auf, was alles nur noch schlimmer machte, da der Dampf direkt in seinen Hals gelangte. In Panik ließ er den Feuerlöscher los, worauf Sophia ihm das dicke Ende mit einem vernehmlichen Klong gegen die Stirn rammte.
    Sie setzte über ihn hinweg, bog um die Ecke des Laufgangs – und erstarrte: Vor ihr stand Fang mit angelegter MP-5.
    »Lady Sophia!«, sagte er. »Bitte lassen Sie den Feuerlöscher fallen und kommen Sie mit.«
    Da sie keine Wahl hatte, warf Sophia den Feuerlöscher über das Geländer auf das Förderband, das ihn rasch außer Sicht beförderte.
    Als Nina sah, dass Sophia sich ergab, fluchte sie unterdrückt, dann kletterte sie die Leiter hinunter. Wenn sie die nächste Ebene erreichte, könnte sie den Schützen vielleicht ablenken, dann hätte Chase Gelegenheit, sich eine bessere Deckung zu suchen …
    Da krallte sich eine Hand um ihren rechten Arm und riss sie so mühelos nach oben, als wäre sie eine Puppe. Der Minenarbeiter zog sie auf die Plattform hoch und drehte ihr grob den Arm nach hinten, drückte sie auf den Gitterboden nieder und setzte ihr ein Knie auf den Rücken.
    Nina schlug mit der Linken nach ihm, konnte jedoch nichts ausrichten –