Das Grab im Moor
konnte.
»So«, sagte sie. »Hat hier jemand eine Runde Durchkitzeln bestellt?«
Karl versuchte zu protestieren, aber Mama tat so, als könnte sie ihn gar nicht hören.
»Nein!«, quietschte er. »Hör auf! Hör auf! Ich ergebe mich!«
»Bist du sicher? Nicht mehr weiterkitzeln?«
Erst nickte er und dann schüttelte er den Kopf. Er war ganz sicher.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie lächelnd. »Kein Heimweh?«
Er zuckte mit den Schultern. Es war ja nicht so, dass er herumlief und vor Heimweh verging. Aber manchmal . . . manchmal dachte er daran, wie es zu Hause gewesen war. Mit seinen Freunden. In der Schule und beim Spielen unten im Hof.
»Du weißt ja, dass wir noch eine ganze Weile hierbleiben werden. Vielleicht sogar noch das ganze Frühjahr.«
Karl schwieg. Was sollte er auch sagen? Jetzt hieß es Zähne zusammenbeißen, wie sein alter Fußballtrainer immer gesagt hatte. Seit er nach Krabbsjögrund gekommen war, waren eine ganze Menge gruseliger Sachen passiert und natürlich wurde er deshalb auch misstrauisch, wenn er solch mysteriöse Gespräche belauschte oder in seltsame Situationen geriet. Inzwischen sah er wahrscheinlich schon überall Gespenster.
Außerdem fragte er sich noch immer, was Sonja Svärd und Doktor Ekwall gemeint hatten, als sie sich über Engla Forin unterhielten. Und dann die Sache mit Sara. War sie in Gefahr?
Vielleicht hätte er seiner Mutter davon erzählen sollen, aber eigentlich konnte das, was die beiden gesagt hatten, ja alles Mögliche bedeuten. Er hatte nichts in der Hand. Für eine Hausdurchsuchung war die Beweislage zu dünn, wie es im Fernsehen immer hieß. Am besten würde er gleich morgen mit Sara sprechen.
Eigentlich hatte er sie noch anrufen wollen, aber nach dem Weihnachtsmarkt war er zu beschäftigt gewesen. Sie waren zum Festessen nach Hause gegangen, hatten sich Donald Duck im Fernsehen angesehen und Großvaters Weihnachtstorte probiert. Und im Handumdrehen war es dann auch schon an der Zeit gewesen, die Päckchen unter dem Weihnachtsbaum auszupacken.
»Freust du dich über deine Geschenke?«, fragte Mama.
Karl nickte. Er wusste, dass seine Mutter keine Zeit mehr gehabt hatte, noch durch die Geschäfte zu ziehen. Draußen an den Drakbankar gab es einfach nicht genug Läden, wie sie es ausgedrückt hatte, aber ein paar Sachen hatte sie trotzdem noch organisieren können.
Sie hatte ihm ein Paar Schlittschuhe ausgesucht. Typisch Mama. Ihre Geschenke waren immer für draußen geeignet. Sein Großvater dagegen war wie jedes Jahr Karls Wunschzettel gefolgt und hatte ihm Filme, Bücher und Spiele besorgt, die Karl sich gewünscht hatte.
»Du hältst es also noch aus hier?«, sagte Mama.
Karl nickte.
»Aber es ist trotzdem blöd, dass du da draußen bist«, gab er dann zu. »Ich meine, nach all dem, was letzten Herbst passiert ist.«
»Ach, das einzige Problem, das wir dieses Mal haben, sind ein paar verrückte Taucher, die draußen in der Bucht versuchen, Wracks zu plündern«, sagte Mama und verdrehte die Augen.
Sie erklärte ihm, dass diese Taucher ihre Tauchplätze nicht markierten, weil es verboten war, Gegenstände mit nach oben zu nehmen, und deshalb kam es leicht zu Unfällen mit vorbeifahrenden Booten. In Karls Ohren klang das ziemlich spannend.
»Was findet man denn in diesen Wracks?«, fragte er. »Waffen? Oder Schatzkisten?«
Karl malte sich aus, wie geheimnisvolle Froschmänner mit Juwelen und goldenen Kreuzen aus der Tiefe des Meers auftauchten. Aber Mama lachte und schüttelte den Kopf.
»Nein, Schätze gibt es da nicht zu heben. Sie suchen nach Wassereiche. Schwarzholz.«
Karl zuckte zusammen. Schwarzholz? Das war doch der Name, der auf dem Grabstein gestanden hatte.
»Was bedeutet
Schwarzholz?
«
Mama stand auf und verschwand kurz aus dem Zimmer. Sie kam mit einem Brieföffner zurück, der aus einem schwarzen, massiven Holzstück gefertigt war. Karl befühlte die glatte Klinge. Sie war steinhart.
»Schwarzholz ist Eichenholz, das Hunderte von Jahren im Wasser gelegen hat«, erklärte Mama. »So lange, bis das Holz ganz dunkel und richtig hart geworden ist, fast wie Stein. Künstler zahlen viel Geld dafür. Sie machen daraus Skulpturen und andere Kunstwerke. Aber wie dem auch sei. Ich habe da draußen keinen Grund zur Klage. Und du hier auch nicht, wenn ich dich recht verstehe?«
»Abgesehen von den vielen Süßigkeiten, die mir manchmal Bauchschmerzen machen, ist es ganz in Ordnung.«
Mama lächelte.
»Dann war es also kein
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