Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
Telefon klingelte, als mir eben das ganze Ausmaß von Briels Verrat bewusst wurde.
»Wie steht's, Butterblümchen?«
Ich war viel zu aufgeregt für eine sarkastische Antwort auf Ryans Kosenamen. Ohne ihn nach seinem Tag zu fragen, erzählte ich ihm alles, was ich erfahren hatte. Chris Corcorans Schusskanal-Fall in Chicago. Miranda Leaver, alias Marie-Andréa Briel. Sebastien Raines' gewalttätige und unappetitliche Vergangenheit. Heliomolar. 1984. Die vertauschten Zähne. Der Diebstahl der Fingerglieder.
»Der Anruf bei Edward Allen war der Startschuss für Briels Plan, mich zu torpedieren.«
»Was ist das Motiv?«
»Um ihren Ruf zu vergrößern. Um Body Find mehr Glamour zu verleihen, damit sie bessere Kontakte zu Behörden, Privatfirmen und Anwälten bekommen.«
»Ich kann ja verstehen, dass sie auf Ayers anlegt, wenn du mir den Ausdruck verzeihst, aber warum auf dich?«
»In Frankreich machen Pathologen alles, Anthropologie, Odontologie, was auch immer. Es ist ein archaischer Ansatz der Gerichtsmedizin, aber so ist es eben. Als sie ihren Schnellkurs machte, entwickelte Briel wahrscheinlich einen gewissen Größenwahn.«
»Sie meint, sie hat Knochen drauf, und du bist die Konkurrenz.«
»Das ist meine Theorie.«
»Wenn du damit recht hast, dann kann sich Briel auf einiges gefasst machen. Manipulation von Beweismitteln, Behinderung der Justiz, unangemessene Behandlung von menschlichen Überresten.«
»Für den Anfang nicht schlecht.«
»Was hast du für einen Plan?«
»Zuerst lege ich die ganze Sache Hubert vor. Wenn er nicht darauf reagiert, gehe ich zu LaManche. Das ist eine ernste Sache. Briels Taten könnten bei Keiser und Villejoin einen ernsthaften Rückschlag bedeuten. Bei jedem Fall, den sie bearbeitet hat.«
Bis jetzt hatte sich das Gespräch ausschließlich um mich gedreht.
»Wie laufen die Ermittlungen?«
»Florian Grellier hat Adamski bei einer anonymen Gegenüberstellung identifiziert. Sagt, das ist eindeutig der Barkumpel, der über das Grab bei Oka gequasselt hat. Wir haben einen Angestellten von Canadian Tire, der sagt, er habe Adamski an dem Tag, als Anne-Isabelle ermordet wurde, einen Gartenspaten verkauft. Wir haben einen Tankwart, der sagt, er habe ihm in der Woche, in der Keiser verschwand, Kerosin verkauft. Es gibt eine Kellnerin, die ihn zu der Zeit in Memphrémagog gesehen hat. Das Netz zieht sich zu.«
»Was ist mit Poppy?«
»Ein Richter hat sich überzeugen lassen. In diesem Augenblick durchsucht ein Team ihre Wohnung in Saint-Eustache.«
»Claudel bearbeitet immer noch Adamski?«
»Jetzt, da der Mistkerl einen Anwalt hat, ist es schwieriger. Aber der Staatsanwalt hat den Eindruck, dass die Geständnisse in Bezug auf Keiser und Villejoin Bestand haben werden. Bei Jurmain bewegt sich Adamski immer noch nicht. Und er beharrt auch darauf, nie jemanden erschossen zu haben.«
»Dann würde meine Briel-Theorie passen.«
»Wie die Faust aufs Auge. Wie geht's Bird?«
Ich erzählte Ryan von meiner letzten Begegnung mit Sparky.
»Willst du, dass Sparky mal eine Begegnung mit dem langen Arm des Gesetzes hat?«
»Danke«, sagte ich. »Aber ich schaffe das schon allein.«
Ein verlegenes Schweigen folgte, wie so oft in letzter Zeit. »Willst du heute Abend Gesellschaft?« Bei dem Angebot wurde mir flau im Magen. Ich wollte nichts mehr, als dass Ryan neben mir schnarchte.
Aber nein. Heute nicht.
Ich bog das Angebot mit Humor ab. »Wessen?«
»Warum gebe ich mich eigentlich mit dir ab, Brennan?«
»Wegen meines brillanten Geistes und meines atemberaubend guten Aussehens. Wobei keins von beiden heute viele Punkte machen dürfte.«
»Von mir kriegst du immer die Maximalzahl.«
»Danke. Aber ich schließe mich lieber mit Birdie ein. Als ich ihm heute von Sparkys Bemerkungen über seine stimmliche Potenz erzählte, beschloss der kleine Gauner, die Band zusammenzutrommeln und ihr neue Verstärker zu bestellen. Ich muss ihn besänftigen.«
Nach dem Auflegen setzte ich mich wieder an meinen Computer und öffnete eine Datei. Ich wollte meine Argumente perfekt strukturiert haben für die Konfrontation mit Hubert morgen.
Ich saß eine Stunde dran, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah.
Birdie spielte den lauernden Panther. »Bird.«
Der Kater rührte sich nicht. »Was ist los, Fellball?«
Birdie legte die Ohren an den Kopf.
Eine plötzliche Erinnerung. Das zertrümmerte Fenster.
Ein Schauer lief durch meinen Körper. Mit aufgestellten Nackenhaaren schlich ich den Gang
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