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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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zwang sich jedoch, langsam zu gehen.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete er im Vorbeigehen das Nachbarhaus. Hinter den Fenstern brannte Licht. Er sah niemanden, der zu ihm herausspähte.
    Ace konnte genauso gut zu dem Haus auf der anderen Seite gegangen sein, überlegte er.
    Sie konnte überall sein.
    Endlich erreichte er seinen Wagen und stieg ein. Mit zitternden Fingern fummelte er den Schlüssel in die Zündung. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als weiter vorn auf der Straße Scheinwerfer auftauchten.
    Die Bullen?
    Er warf sich quer über die Vordersitze und drehte leise keuchend und lauschend das Gesicht nach oben. Der Wagen kam näher und näher. Fuhr an ihm vorbei und wurde leiser.
    Im Liegen drehte er den Zündschlüssel. Der Motor sprang an.
    Er stemmte sich hoch, sah im Seitenspiegel die roten Rücklichter, rammte einen Gang ins Getriebe und bog um die Ecke.
     
    Ein Wagen parkte in Aces Einfahrt.
    Sie hatte nichts davon gesagt, dass sie heute Nacht nicht allein sein würde. Vielleicht hatte sie angenommen, dass Vicki bei Jack bleiben würde, und hatte sie deshalb nicht vorgewarnt.
    Sie parkte den Mustang auf der anderen Straßenseite. Was jetzt? überlegte sie. Ich will nicht in irgendwas reinplatzen.
    Sie fragte sich, wer der Mann war.
    Vielleicht ist es gar kein Mann.
    Natürlich ist es einer!
    Ace hatte vor ein paar Wochen mit Jerry Schluss gemacht und nichts von einem anderen erzählt. Seit Vicki eingezogen war, hatte sie keine Verabredung gehabt.
    Vielleicht hat sie sich auch wieder mit Jerry versöhnt.
    Es konnte aber auch irgendein anderer sein.
    Vicki seufzte. Es war ihr so schwergefallen, sich von Jack loszureißen. Sie hatte ihre ganze Willenskraft aufbieten müssen, dem Wunsch zu widerstehen, bei ihm zu bleiben. Und jetzt das. Hätte sie gewusst, dass Ace nicht allein war, wäre sie wahrscheinlich nicht gegangen.
    Vielleicht sollte ich wieder umdrehen, dachte sie, und zu ihm zurückfahren. Nein. Ich habe mich entschieden. Es war die richtige Entscheidung – und jetzt bin ich hier.
    Vicki stieg aus dem Wagen. Sie überquerte die Straße und ging zur Haustür. Sie klingelte. Wartete. Klingelte noch einmal.
    Das musste als Warnung genügen, entschied sie.
    Sie schloss die Tür auf und wollte sie aufdrücken, dann spannte sich die Sicherheitskette.
    Na toll, dachte sie. Hoffentlich schlafen sie nicht.
    Sie drückte noch ein paar Mal auf die Klingel und hörte, wie das Läuten durchs Haus hallte.
    »Kommt schon, ihr verpennten Schlafmützen«, murmelte sie.
    Sie beugte sich vor, schob das Gesicht in den Spalt und rief: »Ace? Ich bin’s, Ace. Lässt du mich bitte rein?«
    Keine Antwort.
    Okay. Sie mussten in Aces Zimmer sein. Entweder schliefen sie, oder es war gerade ein ungünstiger Augenblick.
    Vicki zog die Tür wieder zu. Sie ließ die Schlüssel in ihre Handtasche fallen und ging zur Rückseite des Hauses. Durch die Fliegengittertür fiel Licht. Die Holztür stand offen.
    Wenn die Gittertür abgeschlossen ist …
    Sie probierte die Klinke. Die Tür schwang auf, und sie trat in die Küche.
    Und erstarrte.
    Blut. Blutige Schmierspuren und Fußabdrücke. Und dort drüben … ungefähr in der Mitte der Küche …
    Himmel, was ist hier passiert?
    Sie starrte auf die riesige Blutlache, trat zögernd vor und stieß gegen etwas. Sie sah nach unten. Ein Männerschuh aus Leder. Der andere lag jenseits der Blutlache direkt vor der Tür zum Korridor. Sie bückte sich, hob ihn auf und drehte ihn um. Die Sohle war schwarz verdreckt, als sei jemand damit durch eine Öllache gegangen.
    Melvin? Melvin war hier?
    Vielleicht ist er es noch immer.
    War das sein Wagen in der Einfahrt?
    O Gott, Ace, nein!
    »ACE!«
    Ein plötzliches Geräusch, als würde ein Stuhl über den Fußboden scharren, ließ Vicki zusammenschrecken und herumwirbeln. Sie ließ den Schuh fallen.
    Unter dem Küchentisch lag zusammengekrümmt eine nackte Frau, die Vicki zwischen den Stäben der Stuhlbeine hindurch anstarrte.
    »Ace?«, flüsterte Vicki.
    Sah nicht wie Ace aus. Nicht mit diesem blutverschmierten, verzerrten Gesicht. Nicht mit diesem kahlen, wunden Kopf. Doch ihr Körper …
    » Was hat er mit dir gemacht? « Noch während sie die Frage hervorstieß, rannte sie auf den Tisch zu. Sie hängte sich die Handtasche um den Hals, um die Hände frei zu haben, und schleuderte einen Stuhl aus dem Weg. Sie wuchtete den Tisch hoch und kippte ihn um. Eine Vase mitsamt Blumen flog in hohem Bogen davon und krachte splitternd gegen die Wand. Die

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