Das Grab - Roman
doch Charlie hatte ihr die Wochenenden frei gegeben. Sie konnte den ganzen Tag faul rumhängen und sich schon mal ein bisschen einrichten. Sie freute sich darauf.
Ihre gute Laune hielt so lange, bis die Praxis in Sicht kam und sie Melvin Dobbs erblickte, der auf der Treppe saß. Sein Haar war straff nach hinten gekämmt und schimmerte ölig. Seine Augen waren hinter einer verspiegelten Sonnenbrille versteckt. Er trug ein leuchtend rotes Hawaiihemd mit großen blauen Blumen, karierte Bermudashorts und schwarze Socken. Seine Halbschuhe glänzten in der Sonne.
Als Vicki näher kam, hob er grüßend seine bandagierte Hand und stand auf.
»Guten Morgen, Melvin.« Obwohl sie innerlich alles andere als entspannt war, klang ihre Stimme ruhig. »Wie geht’s deiner Hand?«
»Ungefähr so wie gestern.«
Sie konnte sehen, dass er den Verband nicht gewechselt hatte. Wenn sie es jedoch erwähnte, würde er sie möglicherweise bitten, ihm einen frischen anzulegen.
»Du siehst wirklich hübsch aus«, sagte er.
»Danke«, sagte sie trotz der leichten Übelkeit, die sie überkam. Aufgrund der spiegelnden Gläser seiner Sonnenbrille konnte sie nicht erkennen, wohin er blickte. Ihr Dekolleté war nicht so tief, dass es auch nur den Ansatz ihrer Brüste erahnen ließ, doch plötzlich wünschte sie sich, etwas weniger Offenherziges zu tragen.
Eine Ritterrüstung zum Beispiel.
»Wolltest du mich wegen was Bestimmtem sprechen? «, fragte sie.
Er nickte. Er rieb sich mit dem Handrücken seiner Linken über die wulstigen Lippen. »Hast du einen Wagen? «
»Nein, noch nicht.«
»Das dachte ich mir. Du bist mit diesem Laster von U-Haul in die Stadt gekommen und gestern mit Ace weggefahren. Ich war drüben im Drugstore, als du wegfuhrst. Du brauchst ein Auto.«
»Nun, ich spare auf eins.«
»Komm mit.« Er ging an Vicki vorbei, bedeutete ihr mit einem Winken, ihm zu folgen, und trottete zur Ecke des Gebäudes.
Als sie ihm folgte, glitt seine linke Hand in die Tasche seiner Shorts und kam mit einem Schlüsselring zwischen zwei Fingern wieder zum Vorschein.
Oh, nein .
Auf dem Praxisparkplatz stand neben Thelmas VW Käfer ein hellroter Plymouth Duster.
»Melvin.«
»Gefällt er dir?«
»Er ist sehr schön, aber …«
»Er gehört dir.« Er hielt ihr die Schlüssel hin.
Sie griff nicht danach. Sie schüttelte den Kopf und rieb ihre feuchten Hände an ihrem Kleid ab. »Wie meinst du das?«
»Du kannst ihn haben.«
»Ich kann doch nicht einfach einen Wagen von dir annehmen.«
Er nickte heftig. »Klar kannst du das. Ich brauche ihn nicht.«
»Trotzdem, das kann ich nicht.«
»Ich hab ihn extra für dich neu gespritzt.«
»Das ist sehr nett von dir, aber …«
»Du bist meine Freundin. Du warst immer sehr nett zu mir. Du brauchst einen Wagen.«
»Melvin.« Sie seufzte. »Das ist sehr aufmerksam von dir, und ich weiß das auch zu schätzen, aber ein solches Geschenk … Das kann ich nicht annehmen. Wirklich nicht.«
»Okay, okay.« Er grinste. Vicki wünschte, er würde das Grinsen bleiben lassen. »Dann betrachte ihn eben als geliehen. Du kannst ihn dir ausborgen, bis du das Geld für einen neuen, eigenen Wagen hast. Was hältst du davon? «
»Ich brauche wirklich kein Auto, Melvin. Ich wohne so nah an der Praxis, dass ich zu Fuß gehen kann.«
»Natürlich brauchst du ein Auto. Jetzt hast du eins.« Er machte einen hüpfenden Schritt nach vorn und hielt ihr die Schlüssel hin.
Sie verschränkte die Hände hinter ihrem Rücken und schüttelte den Kopf.
»Nein. Bitte, Melvin. Ich will nicht …«
Seine bandagierte Hand schnellte vor. Ein Finger hakte sich in den Ausschnitt ihres Kleids und zog daran. Er ließ die Schlüssel hineinfallen, die bis zum Gürtel um ihre Taille hinunterglitten.
Schockiert starrte sie Melvin an.
Grinsend machte er zwei schnelle Schritte um sie herum. Während er davoneilte, sah er über die Schulter zurück. »Wenn du ihn nicht mehr brauchst, lass es mich wissen.«
»Melvin!«
»Wenn du irgendwelche Schwierigkeiten mit ihm hast, komm zur Tankstelle.«
»Du kannst ihn nicht einfach hier stehen lassen!«
Er verschwand um die Hausecke.
Vicki zog an ihrer Gürtelschnalle. Die Schlüssel rutschten abwärts und fielen klirrend zwischen ihren Füßen auf das Pflaster.
Sie bückte sich und hob sie auf.
Es waren zwei Schlüssel, einer für das Zündschloss und einer für den Kofferraum, an einem kleinen Metallring, der an einer Plastikscheibe mit der Aufschrift »Tankstelle Dobbs, 126 South
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