Das Grab - Roman
empfand schreckliche Leere und Sehnsucht. »Ich will, dass dieser Morgen etwas Besonderes ist, etwas, das wir immer bei uns tragen und erinnern werden, auch wenn wir uns nie wieder sehen.«
Er nahm sie in die Arme und küsste sie. Vicki fing an zu weinen.
»Was ist los?«, fragte er.
»Du gehst fort.«
»Ich komme zurück. Irgendwann komme ich zu dir zurück.«
»Versprichst du es?«
»Versprochen.« Dann begann Vicki, sein Hemd aufzuknöpfen. »Was machst du?«
»Wir werden uns lieben.«
»Hier?«
»Niemand kann uns sehen.«
Bald waren beide nackt. Vicki legte sich auf den Rücken. Paul streckte sich neben ihr aus, den Kopf auf eine Hand gestützt, und ließ seine Hand sanft über ihre Haut gleiten. »Du bist so schön«, sagte er.
Sie schloss ihre Finger um seinen Penis.
Stöhnend kroch er über sie. Er kniete zwischen ihren gespreizten Schenkeln. Er küsste ihre Brüste. »Du bist furchtbar nett zu mir«, flüsterte er. Aber es war nicht Pauls Stimme. »Ich werde nett zu dir sein.« Seine Zunge leckte über ihre Brustwarze. Vicki packte ihn bei den Haaren und bog seinen Kopf hoch. Melvin grinste sie an.
Sie fing an zu schreien. Melvin presste seine bandagierte Hand auf ihren Mund. »Ich werde sehr nett zu dir sein.«
»Nein, bitte!« Irgendwie konnte sie trotz seiner Hand sprechen.
»Alles in Ordnung. Siehst du?« Er hielt ein in Folie verschweißtes Kondom über ihr Gesicht.
»Nein!«, schrie sie. »Bitte!«
»Los, mach schon. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.« Da war noch jemand auf dem Floß.
Vicki drehte den Kopf.
Dexter Pollock kniete neben ihnen. Er zog seinen Bademantel aus. Abgesehen von einem Revolvergurt und einer an seine Brust gehefteten Polizeimarke war er nackt. Zwei dünne Blutfäden sickerten aus den Nadellöchern der Marke über seine Brust.
»Hey!«, rief jemand aus einiger Entfernung. »Was geht da draußen vor?«
Der Nebel hob sich. Auf der anderen Seite des Wassers, ein Stück den Strand hinauf, saß ein Mann auf der Rutsche des Spielplatzes.
Dexter zog seinen Revolver und schoss. Der Mann kippte nach hinten und fiel hinter der Leiter auf den Boden.
Melvin, der über ihr kniete, hatte jetzt Überbrückungskabel in den Händen. Er hielt die beiden Klemmen aneinander, und von den scharfen Kupferzähnen sprühten Funken.
Vicki schrie auf, presste die Hände auf ihre Brüste und setzte sich mit einem Ruck im Bett auf. Das Zimmer war von Sonnenlicht durchflutet. Die Uhr zeigte 7:50. In zehn Minuten hätte der Wecker geklingelt. Sie wünschte, sie wäre nicht vorher aufgewacht. Das laute Schrillen und jähe Erwachen hätte vielleicht den Traum aus ihrer Erinnerung gelöscht.
Jedes Detail blieb lebendig.
Die Kopfschmerzen waren verschwunden, doch ihre Nackenmuskeln fühlten sich wie aus Eisen an.
Ace öffnete die Tür und spähte herein. »Alles klar?«
Vicki nickte. Sie zog die Bettdecke hoch, um sich zu bedecken.
»Du hast geschrien.«
»Ich hatte einen Alptraum.«
»Du siehst aus wie ausgespuckt und angepisst.«
»Danke. So fühle ich mich auch.«
Ace kam mit einer Tasse Kaffee ins Zimmer. Sie hatte Lockenwickler im Haar und trug ihr Minnie-Maus-Nachthemd. »Hier, trink.« Sie reichte Vicki die Tasse. »Du hast ihn nötiger als ich.«
Vicki nippte an dem heißen Kaffee. Sie seufzte.
Ace setzte sich auf die Bettkante. »Muss ein echtes Schätzchen von Alptraum gewesen sein.«
»Fing eigentlich ganz gut an. Bis Melvin und Pollock aufgetaucht sind.«
»Da hätte ich auch geschrien.«
»O Gott.«
»Du bist patschnass.«
»Ich weiß. Zum zweiten Mal in einer Nacht.«
»Derselbe Traum?«
Vicki zuckte mit den Achseln. »An den ersten kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich hab diese verdammten Träume, seit ich nach Ellsworth zurückgekommen bin.«
»Jede Nacht?«
»Ich glaub schon.«
»Deine Psyche muss ein Scherbenhaufen sein.«
»Es liegt an Melvin. Er verfolgt mich in allen Träumen, zumindest in denen, an die ich mich erinnere.«
»Unbewusst begehrst du ihn.«
»Ganz bestimmt. Jetzt mach mal einen Punkt.«
»Hoffentlich sind es keine Zukunftsvisionen.«
Vicki warf Ace ein sarkastisches Grinsen zu.
Ace tätschelte durch die Bettdecke ihr Bein. »Ich weiß, was dir helfen wird. Du brauchst einen Freund. Verlieb dich, das wird deine Gedanken vom Unglaublichen Melvin ablenken.«
»Genau.«
»Davon abgesehen vielleicht auch einen Seelenklempner. «
»So weit könnte es kommen.«
Einen Moment lang war in Aces Augen Besorgnis zu sehen. Dann
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