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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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und jede zusätzliche Beanspruchung in Form von Gehaltserhöhungen, Spesen oder auch nur Kostgeldern verletzte ihn tief.
    Auf Daves Frage antwortete Sheplow in schroffem Ton: »Na­türlich weiß ich von der Summe. Ich sehe aber nicht, was Sie das angeht.«
    »Vielleicht hat Mr. Hagerty Sie nicht verständigt – aber seit Gordons Erkrankung habe ich die Angelegenheit Burke über­nommen. Wenn man meinem Kunden diesen Betrag debitiert hat, möchte ich den Grund wissen.«
    »Burke debitiert? Unsinn. Es handelt sich um einen Ausga­benposten der Agentur.«
    »Warum befand sich dann der Betrag in Gordons Burke­Kartei?«
    »Weiß ich nicht, interessiert mich auch nicht. Mr. Hagerty selbst hat die Abhebung dieser Summe angeordnet. Er geht nicht zu Lasten eines einzelnen Kunden, sondern auf das Konto Ha­gerty & Tait. Ich nehme an, daß Mr. Hagerty seine triftigen Gründe gehabt hat.«
    Dave runzelte die Stirn.
    »Wissen Sie, was die Buchstaben A. G. bedeuten?«
    »Nein.«
    »Und Sie würden es mir wohl auch nicht sagen, wenn Sie es wüßten.«
    Sheplow lächelte matt. »Durchaus möglich.«
    »Ich darf also annehmen, daß es sich um eine von Mr. Hagerty angeordnete rein persönliche Abhebung handelt?«
    »Nehmen Sie an, was Sie wollen. Wenn Sie jetzt so freund­lich sein wollen, mich zu entschuldigen –« Er rückte seine fun­kelnde Brille zurecht und schwenkte den Stuhl herum. Dave stand auf. Er war mit der Erklärung nicht zufrieden und doch nicht in der Lage, weitere vernünftige Fragen zu stellen. Ihm blieb jetzt nichts anderes übrig als wegzugehen. Das tat er denn auch.
    Er kehrte in sein Büro zurück und beendete die Durchsicht der Schriftstücke. Nichts anderes mehr erregte sein Interesse, aber die Initialen A. G. wollten ihm den ganzen Vormittag nicht aus dem Sinn. Natürlich war Homer Hagerty der Mann, den er um eine Erklärung hätte bitten müssen, aber Dave hatte keine rechte Lust, sich an den Generaldirektor zu wenden. Das zweitbeste war wohl, sich an seine Nichte zu wenden.
    Sie aßen in einem kleinen italienischen Restaurant in der Nähe der Third Avenue zu Mittag, einem stillen, gemütlichen Lokal, wo der Fußboden recht uneben und die Tischtücher verdächtig grau waren. Aber das Essen war gut, und Janey schmeckte es.
    Beim Espresso richtete er seine Frage an sie.
    »A. G.?« Janey runzelte ihre Milchglasstirn. »Nein, ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll.«
    »Ich habe die Zahl in Gordons Papieren gefunden, aber She- plow behauptet, dein Onkel habe die Abhebung vom Firmen­konto veranlaßt.«
    »So?«
    »Du darfst mir meine Neugier nicht übelnehmen. Hundertundfünfundzwanzigtausend Dollar sind eine Menge Geld. Kannst du dir denken, warum dein Onkel eine solche Summe abheben würde?«
    »Nein. Wie käme ich dazu? Es muß mit dem Geschäftsgang zusammenhängen. Vielleicht eine Steuerzahlung oder etwas Ähnliches. Darin habe ich mich nie ausgekannt.«
    Dave machte eine besorgte Miene, während er den heißen bit­teren Kaffee an die Lippen hob. Janey mußte es bemerkt haben, denn sie sagte: »Worauf willst du hinaus, Dave? Warum dieses Getue?«
    »Na ja, ich verstehe auch nicht viel von finanziellen Dingen. Aber ich habe den Eindruck, daß es sich um eine persönliche Abhebung handelt. Glaubst du, dein Onkel könnte in Schwierig­keiten geraten sein?«
    Sie erwiderte rasch: »Natürlich nicht!«
    »Warum bist du deiner Sache so sicher?«
    »Weil ich es weiß. Ich kenne meinen Onkel durch und durch. Wenn er etwas Unrechtes begangen hätte –«
    »Das habe ich nicht behauptet.«
    »Aber du hast danach ausgesehen!« Ihre kühle Miene wirkte plötzlich wärmer. »Onkel Homer und Gordon Tait sind die ein­zigen Aktionäre. Sie können mit dem Geld machen, was sie wollen.«
    »Reg dich nicht auf. Ich habe ihm nicht vorgeworfen, daß er an den Büchern herumgemurkst hätte. Aber du mußt zugeben – eine so große Abhebung macht einen merkwürdigen Eindruck.«
    »Nur, wenn man ein mißtrauischer Mensch ist.«
    Eine Weile verharrten beide in mürrischem Schweigen. Dave ließ Kaffee nachfüllen, obwohl er ihn gar nicht mochte. Er lä­chelte versöhnlich und berührte Janeys Hand. Sie zog sie hastig zurück. »Hör mal, Janey! Ich weiß, du hast den alten Herrn gern. Aber du darfst nicht vergessen – für mich ist er nur der Chef.«
    »Er ist der wunderbarste Mensch, den ich kenne«, erwiderte Janey ruhig. »Du hast keine Ahnung, wie gut er immer zu mir war, Dave. Ich weiß, daß du ihn mit anderen

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