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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Dave Robbins.«
    »Treten Sie ein.«
    In dem kleinen Haus war es heiß. Der Mann – offensichtlich der Hausherr, Howard Clarke – nahm die Mäntel und Hüte entgegen und hängte sie nicht allzu ordentlich an die Gardero­be. Er war ein jüngerer Mann mit ernstem Gesicht. Er trug ei­nen blauen gestrickten Pullover, der ihm zu lang war, und rieb sich unaufhörlich die Handflächen an der Wolle über den Hüf­ten.
    »Das Baby ist im Kinderzimmer«, sagte er, die Worte hervor­sprudelnd. »Meine Frau ist oben und richtet sich her. Wir haben eben erst gefrühstückt. Vielleicht darf ich Ihnen eine Tasse Kaf­fee anbieten?«
    »Das wäre sehr schön«, erwiderte Janey.
    »Gut. Ich komme gleich wieder. Machen Sie sich’s inzwi­schen hier drin bequem.«
    Das Wohnzimmer wurde von einem Terrakottakamin be­herrscht, der wie eine Attrappe aussah. Die Möbel waren im ungefähren Kolonialstil gehalten und pedantisch rund um einen riesigen bunten Wirkteppich gruppiert.
    Sie setzten sich auf das holzumrahmte Sofa, und Janey sagte: »Schäm dich, Dave, du hast mich nicht einmal vorgestellt.«
    »Ich hatte keine Gelegenheit. Furchtbar nervöser Knabe, fin­dest du nicht?«
    Smalley stellte seine Ledertasche auf den Fußboden und be­gann, Filmrollen herauszufischen. Achtlos streute er seine Sie­bensachen auf dem Teppich umher und sagte: »Na, wo ist denn der kleine Ronald oder Donald oder wie der Balg heißt?«
    »Pst!« murmelte Janey und blickte lächelnd zu Howard Clar­ke auf, der mit einem Tablett erschienen war, auf dem drei bis an den Rand gefüllte Tassen standen. »Besten Dank, Mr. Clarke. Ich bin Janey Hagerty und besorge die künstlerische Gestaltung der Burke-Reklame. Das ist Mr. Smalley. Er wird von jetzt an die Aufnahmen machen.«
    »Ach so?« bemerkte Clarke zerstreut. »Wo ist denn Mr. Bern­stein?«
    »Er ist nicht mehr für uns tätig«, erwiderte Dave. »Aber Sie werden sehen, daß Mr. Smalley auch sein Handwerk versteht.«
    »Ja, ja«, sagte Clarke, und sein Blick wanderte zur Treppe. »Meine Frau wird jeden Augenblick runter kommen. Möchten Sie vielleicht das Baby sehen?«
    »Furchtbar gern«, antwortete Janey.
    Sie gingen ins Nebenzimmer, eine Mischung aus Eßraum und Kinderzimmer. In der Ecke stand ein Laufgitter. Ein blondhaari­ger kleiner Junge stupste den Finger ins Auge eines ausgestopf­ten Koalabären. Als sie hereinkamen, blickte er auf und verzog ein wenig den Mund. Er war recht stämmig und sah älter aus als vier Monate.
    »Ach, ist der entzückend!« quietschte Janey, bückte sich und strich ihm über die Locken. »Schaut euch nur die großen Augen an! Viel hübscher als auf den Bildern. Erinnert er dich nicht an jemanden, Dave?«
    »Weiß nicht. Winston Churchill?«
    »Ach, sei nicht dumm. An irgendeinen Filmstar. Die Augen und den Mund. Ich kann mich nur nicht besinnen.« Das Baby girrte sie an, und Janey seufzte hingerissen.
    Dave sah nach der Uhr. »Fast schon halb elf. Könnten Sie mal nachsehen, ob Ihre Frau fertig ist, Mr. Clarke?«
    »Ja, natürlich«, erwiderte der Hausherr und zupfte mit den Fingern an seinem Pullover. »Ich bringe sie sofort herunter. Ich gehe hinauf und hole sie.«
    Rückwärts gehend, verschwand er durch die Tür. Sie hörten seine gedämpften Schritte über die mit Teppichen belegte Trep­pe in den zweiten Stock hinaufeilen.
    »Da stimmt etwas nicht«, sagte Janey.
    »Wie?«
    »Merkst du es nicht? Er ist viel zu nervös. Ich glaube, zwi­schen ihm und seiner Frau ist was los.«
    »Das kommt in den besten Familien vor«, bemerkte Smalley. »Warum muß das denn gerade heute passieren?« Daves Stimme klang gepreßt. »Wir müssen dafür sorgen, daß sie glücklich aus­sehen. Schließlich sind sie doch die Eltern des Burke-Babys. Sie haben glücklich zu sein, überglücklich.«
    Sie kehrten ins Wohnzimmer zurück und starrten den kalten Kamin an. Smalley begann herumzuwandern, guckte in die Schränke, untersuchte die Nippsachen auf den Wandbrettern. Zehn Minuten verstrichen, nichts war zu hören als das friedliche Glucksen von Donald in seinem Laufgitter und das Ticken der vergoldeten Uhr auf dem Kaminsims.
    »Zum Teufel!« sagte Dave. »Was ist denn mit den Leuten los?« Ungeduldig stand er auf und ging zur Treppe.
    »Mr. Clarke?« rief er.
    Keine Antwort. Er stieg drei Stufen hinauf und rief noch ein­mal nach dem Hausherrn. Schließlich ging er bis nach oben und blieb vor der Tür des Schlafzimmers stehen.
    Er wollte gerade klopfen, da ließ er sich durch die

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