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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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mir, abermals durch diese modrigen Korridore zu gehen, aber ich war so fasziniert, daß ich alle Bedenken hintanstellte. Die Dielen knarrten unter unseren Füßen, und einmal erschrak ich, als ich im Staub am Fuß der Treppe eine schwache Spur wie von einem dicken Seil zu erkennen meinte.
    Die Treppe zum Dachgeschoß hinauf knarrte und quietschte, und bei mehreren
    Stufen fehlten die Trittbretter. Ich war froh darüber, aufpassen zu müssen, wohin ich trat, weil ich so nicht in Versuchung kam, mich umzusehen. Der Flur im
    Dachgeschoß war stockfinster und voller Spinnweben, und der Staub lag überall fingerdick, außer in der Mitte, wo eine Art Pfad zu einer Tür auf der linken Seite am Ende des Ganges führte. Beim Anblick der vermodernden Überreste eines einstmals dicken Teppichs mußte ich an die vielen Füße denken, die ihn vor langer Zeit niedergetreten hatten und an das eine Ding, das keine Füße hatte.
    Der alte Mann führte mich geradewegs zu der Tür am Ende des Ganges, und es dauerte ein paar Sekunden, bis er den verrosteten Riegel zurückgeschoben hatte. Heftige Furcht ergriff mich, nun da ich wußte, daß ich dem Bild so nahe war, aber ich genierte mich, jetzt noch kehrtzumachen, und folgte der Aufforderung meines Gastgebers, das verlassene Atelier zu betreten. Der Schein der Kerze war sehr schwach, ließ aber die wichtigsten Merkmale des Raumes erkennen. Ich sah die tiefgezogene, schräge Decke, das riesige Dachfenster, die Andenken und Trophäen an den Wänden und. vor allem die große, verhängte Staffelei, die mitten im Zimmer stand. De Russy ging auf sie zu, zog die verstaubten Samtvorhänge auf der mir abgewandten Seite auf und winkte mich schweigend näher. Ich mußte allen Mut zusammennehmen, um seiner Aufforderung zu folgen, zumal als ich sah, wie sich die Augen meines Gastgebers im flackernden Kerzenlicht weiteten, als er die enthüllte Leinwand betrachtete. Aber die Neugier war wiederum stärker, und ich trat auf die Seite, wo de Russy stand. Dann sah ich die fluchwürdige Phantasmagorie. Ich fiel nicht in Ohnmacht, doch wird sich kein Leser vorstellen können, welch ungeheure Anstrengung mich das kostete. Wohl stieß ich einen Schrei aus, doch verstummte ich gleich wieder, als ich den erschrockenen Ausdruck auf dem Gesicht des alten Mannes wahrnahm. Wie ich erwartet hatte, war die Leinwand durch Feuchtigkeit und mangelnde Pflege verzogen, schimmelig und stockfleckig, doch trotz alledem entgingen mir nicht die monströsen Anspielungen auf unheilvolle fremdartige kosmische Wehen, die hinter dem morbiden Inhalt und der pervertierten Geometrie des unsäglichen Bildwerks lauerten.
    Es war, wie der alte Mann gesagt hatte höllisches Treiben, halb Schwarze Messe, halb Hexensabbat, in labyrinthischen, von Säulen getragenen Gewölben -, und es überstieg mein Vorstellungsvermögen, was durch die Vollendung des Bildes noch hätte hinzugefügt werden können. Das Zerstörungswerk der Zeit hatte den teuflischen Symbolismus und die makabre Vieldeutigkeit nur noch gesteigert, denn die am stärksten betroffenen Partien waren gerade diejenigen, wo auch in der Natur oder in dieser extrakosmischen Travestie der Natur Zerfall und Verwesung eingetreten wären.
    Das Grauenvollste an dem Bild war natürlich Marceline und als ich das gedunsene, eklig verfärbte Fleisch sah, kam mir der abwegige Gedanke, die Gestalt auf der Leinwand sei womöglich auf eine geheime, obskure Art mit der Gestalt verbunden, die unter dem Kellerboden in Kalk begraben lag. Vielleicht hatte der Kalk den Leichnam nicht zerstört, sondern im Gegenteil konserviert aber wie hätte er die schwarzen, tückischen Augen konservieren können, die mich höhnisch aus ihrer gemalten Hölle heraus anstarrten?
    Noch etwas anderes mußte mir an dieser Kreatur auffallen, etwas, das de Russy nicht hatte in Worte fassen können, das aber vielleicht mit Denis’ Wunsch zusammenhing, jeden zu töten, der mit ihm blutsverwandt war und unter einem Dach mit ihr gelebt hatte. Ob Marsh es wußte, oder sein Genius ihm die Hand geführt hatte, ohne daß er es merkte, hätte keiner sagen können. Denis und sein Vater jedenfalls wußten es erst, als sie das Bild sahen.
    Fürchterlicher als alles andere war das wallende schwarze Haar, das den verwesenden Leichnam bedeckte, selbst jedoch nicht das geringste Anzeichen von Zersetzung aufwies.Alles, was ich darüber gehört hatte, fand ich vollauf bestätigt. Es war nichts Menschliches an dieser strähnigen, wogenden,

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