Das Grauen im Museum
halb öligen,
halbgekräuselten Flut schlangenhafter Schwärze. Abstoßendes, sich selbst genügendes Leben regte sich in jeder unnatürlichen Krümmung und Schlingung, und die Ahnung zahlloser Reptilienköpfe an den nach außen gekrümmten Enden war viel zu ausgeprägt, um Illusion oder bloßer Zufall zu sein.
Das lästerliche Blendwerk hielt mich wie mit magnetischer Kraft gefangen. Ich war hilflos und wunderte mich nicht mehr über den Mythos von den Gorgonen, bei deren Anblick jedes Lebewesen zu Stein erstarren mußte. Dann schien mir, als begänne die Kreatur sich zu verändern. Die höhnisch verzerrten Züge gerieten merklich in Bewegung, so daß der verwesende Kiefer herabfiel und die dicken animalischen Lippen eine Reihe spitzer gelber Fangzähne entblößten. Die Pupillen der teuflischen Augen weiteten sich, und die Augen selbst schienen hervorzutreten. Und das Haar dieses verfluchte Haar! Es begann sich zu regen und sichtbar zu winden, und die Schlangenköpfe wandten sich alle de Russy zu und zitterten, als wollten sie zustoßen!
Da verließen mich alle guten Geister, und ohne zu wissen, was ich tat, zog ich meine Selbstladepistole und durchlöcherte die grausige Leinwand mit zwölf
Stahlgeschossen. Das ganze Bild wurde augenblicklich in Fetzen zerrissen, sogar der Rahmen stürzte von der Staffelei und fiel krachend auf den staubbedeckten Fußboden. Doch während das eine Schrecknis vor meinen Augen zerfiel, erstand ein neues vor mir in Gestalt von de Russy selbst, der, als er sah, daß das Bild zerstört war, Irrsinnsschreie ausstieß, die nicht weniger schrecklich waren als das Bild. Mit dem halb erstickten Ausruf »Mein Gott, was haben Sie getan!« packte mich der alte Mann heftig am Arm und zerrte mich aus dem Zimmer und die gebrechliche Treppe hinunter. In seiner Panik hatte er die Kerze fallen gelassen, aber der Morgen graute schon, und fahles Licht schimmerte durch die halbblinden Fenster. Ich stolperte und strauchelte mehrmals, aber der alte Mann zog mich weiter.
»Laufen Sie!« schrie er. »Laufen Sie um Ihr Leben! Sie wissen nicht, was Sie angerichtet haben! Ich habe Ihnen nicht alles gesagt! Ich mußte bestimmte Dinge tun das Bild sprach mit mir und gab mir Anweisungen.Ich mußte es behalten und bewachen. Jetzt wird das Schlimmste geschehen! Sie und dieses Haar werden aus ihren Gräbern kommen, der Himmel weiß, zu welchem Zweck!Beeilen Sie sich, Mann! Wir müssen hier raus, solange noch Zeit ist. Wenn Sie einen Wagen haben, nehmen Sie mich mit bis nach Cape Girardeau. Irgendwann kriegt es mich doch, aber es muß ja nicht gleich sein. Nichts wie raus hier schnell!«
Als wir im Erdgeschoß angelangt waren, hörte ich aus dem rückwärtigen Teil des Hauses ein langsames, dumpfes Stampfen und dann das Geräusch einer zufallenden Tür. De Russy hatte das Stampfen nicht gehört, aber der Knall drang an sein Ohr und ließ ihn den fürchterlichsten Schrei ausstoßen, der sich je einer menschlichen Kehle entrang. »Oh, Gott, gütiger Gott, das war die Kellertür sie kommt -«
Ich kämpfte inzwischen schon verzweifelt mit dem verrosteten Schloß und den durchhängenden Angeln der Haustür, fast genauso kopflos wie mein Gastgeber, nun da ich hörte, wie sich die langsamen, stampfenden Schritte von den mir unbekannten hinteren Räumen des fluchbeladenen Hauses her näherten. Der nächtliche Regen hatte die Eichenplanken aufquellen lassen, und die schwere Tür setzte mir noch mehr Widerstand entgegen als am Abend zuvor. Irgendwo knarrte eine Fußbodendiele, und das Geräusch schien den
bedauernswerten alten Mann um den letzten Verstand zu bringen. Er brüllte auf wie ein gereizter Stier, ließ mich los und stürzte nach rechts durch die offene Tür des anstoßenden Raumes. Eine Sekunde später, gerade als ich die Tür aufbekommen hatte und ins Freie stürzte, hörte ich das Klirren zerbrechender Glasscheiben und wußte, daß er durchs Fenster gesprungen war. Und während ich von der altersschwachen Veranda sprang, um wie von allen Furien gehetzt, die lange, überwucherte Auffahrt entlangzurennen, meinte ich hinter mir dumpfe Schritte tappen zu hören, die nicht mir folgten, sondern unbeirrt durch den spinnwebverhangenen Salon weitergingen.
Ich blickte mich nur zweimal um, während ich in kopfloser Hast durch das Gestrüpp der einstigen Auffahrt brach, vorbei an den sterbenden Linden und grotesken Eichenbüschen, im fahlen Morgengrauen eines bewölkten Novembertages. Das erste Mal schaute ich mich
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