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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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beobachtete. Es war kein bloßer Aberglaube, Marsh hatte tatsächlich etwas von ihrer schrecklichen Vitalität in diesen Symphonien von Linien und Farben eingefangen, so daß sie immer noch brütete und starrte und haßte, ganz so, als sei nicht das meiste von ihr drunten im Keller in Kalk begraben. Das Schlimmste aber war, daß einige dieser von Hekate geborenen, schlangengleichen Haarsträhnen sich ohne fremdes Zutun über die Bildoberfläche erhoben und in meine Richtung züngelten.
    Nun erst erfaßte mich tiefstes, endgültiges Grauen, und ich begriff, daß ich für immer zum Wächter und zum Gefangenen verurteilt war. Sie war das Wesen, dem die ersten, dämmrigen Legenden von Medusa und den Gorgonen entsprungen waren, und etwas in meinem gebrochenen Willen war nun endlich gefangen und versteinert worden. Nie wieder würde ich vor diesen schlangenhaft züngelnden Strähnen sicher sein, den Strähnen in dem Bild und denen, die brütend unter dem Kalk neben den Weinfässern lagen. Viel zu spät entsann ich mich der Erzählungen, in denen berichtet wurde, daß das Haar der Toten nahezu unzerstörbar ist, mochte es auch jahrhundertelang begraben sein.
    Seither ist mein Leben nur noch Grauen und Sklaverei. Ständig umgibt mich die lauernde Furcht vor dem, was da unten im Keller brütet. Es war kaum ein Monat vergangen, als die Nigger über die große schwarze Schlange zu tuscheln begannen, die nach Einbruch der Nacht bei den Weinfässern umherkroch und darüber, daß ihre Spur kurioserweise zu einem anderen, sechs Fuß entfernten Punkt führte. Schließlich mußte ich alles in einen anderen Teil des Kellers verlegen, denn keiner der Schwarzen war mehr zu bewegen, in die Nähe der Stelle zu gehen, wo die Schlange
    sich zeigte.
    Dann begannen die Feldarbeiter über die schwarze Schlange zu reden, die allnächtlich nach Mitternacht die Hütte der alten Sophonisba besuchte. Einer von ihnen zeigte mir ihre Spur, und nicht lange danach kam ich dahinter, daß die alte Sophy neuerdings ihrerseits dem Keller des Haupthauses sonderbare Besuche abstattete und stundenlang murmelnd an eben der Stelle verharrte, die von allen anderen Schwarzen wie die Pest gemieden wurde. Mein Gott, war ich froh, als die alte Hexe starb! Ich glaube wirklich, sie war eine Priesterin irgendeiner schrecklichen alten Überlieferung daheim in Afrika. Sie muß fast hundertfünfzig Jahre alt geworden sein.
    Manchmal meine ich, in der Nacht etwas ums Haus gleiten zu hören. Dann läßt sich ein merkwürdiges Geräusch auf der Treppe vernehmen, dort wo die Dielen gelockert sind, und der Riegel an meiner Zimmertür klappert, als wollte sich etwas Einlaß verschaffen. Natürlich schließe ich meine Tür immer ab. Manchmal am Morgen meine ich auch, einen üblen Modergeruch in den Gängen wahrzunehmen, und ich sehe im Staub auf den Fußböden eine schwache, sich schlängelnde Spur. Ich weiß, ich muß das Haar in dem Bild bewachen, denn wenn ihm etwas geschähe, würden die Wesen in diesem Haus gewiß schreckliche Rache nehmen. Ich wage nicht einmal zu sterben, denn Leben und Tod sind ein und dasselbe im Dunstkreis dessen, was aus R’lyeh kam. Irgend etwas wäre immer zur Hand, meine Nachlässigkeit zu bestrafen. Medusa hat mich in ihren Bann gezogen, und so wird es immer sein. Versuchen Sie nie, die letzten geheimen Schrecknisse zu ergründen, junger Mann, wenn Ihnen Ihre unsterbliche Seele lieb ist.«

    Als der alte Mann seine Geschichte beendete, sah ich, daß die kleine Lampe schon längst ausgebrannt und die größere auch schon beinahe leer war. Es mußte schon bald hell werden. Die Stille draußen verriet mir außerdem, daß der Regen aufgehört hatte. Ich war noch ganz benommen von der Erzählung und vermied es, zur Tür hinzusehen, aus Angst, ich könnte Anzeichen dafür entdecken, daß irgendwelche unsäglichen Mächte ins Zimmer gelangen wollten. Es wäre schwer zu sagen, welches meiner widerstreitenden Gefühle die Oberhand hatte, schieres Entsetzen, nüchterne Skepsis oder eine morbide, phantastische Neugier. Mir fehlten die Worte, und ich mußte warten, bis mein seltsamer Gastgeber das Schweigen beendete. »Wollen Sie … es sehen?«
    Er sprach sehr leise und zögernd, und ich merkte, daß es ihm ungeheuer ernst war. Schließlich siegte dann doch die Neugier, und ich nickte wortlos. Er stand auf, zündete eine Kerze an, die auf einem Tischchen stand, und trug sie vor sich her, als er zur Tür ging. »Kommen Sie mit nach oben.«
    Es widerstrebte

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