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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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nächstes tun sollte.
    Alles war still. Kein Lüftchen regte sich, und auch die normalen Geräusche der Nachttiere fehlten. Ich hatte meine Angst schon fast vergessen gehabt, aber in dieser Grabesstille wurde mir doch wieder unheimlich zumute. Ich bildete mir ein, die Luft sei mit Geistern bevölkert, die mich bedrängten und mir fast die Luft zum Atmen nahmen. Zum hundertsten Mal fragte ich mich, wo der alte Küster sein mochte. Wie ich so dastand, halb und halb gewärtig, daß irgendein finsterer Dämon aus den Schatten auftauchen würde, fiel mir auf, daß am Glockenturm der Kirche zwei Fenster erhellt waren. Da erinnerte ich mich, daß Haines ja gesagt hatte, Fester wohne im Kellergeschoß der Kirche. Ich ging vorsichtig hinüber und fand eine Seitentür der Kirche offenstehen.
    Drinnen roch es nach Moder. Alles, was ich berührte, war klamm und glitschig. Ich strich ein Zündholz an und versuchte herauszubekommen, wie ich in den Glockenturm gelangen konnte. Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen.
    Über mir hörte ich auf einmal lauten Gesang, in einer gutturalen Stimme wie von einem Betrunkenen. Das Zündholz verbrannte mir die Finger, und ich ließ es fallen. Zwei Lichtpünktchen durchdrangen die Dunkelheit der gegenüberliegenden Mauer der Kirche, und darunter sah ich Licht durch die Ritzen einer Tür fallen. Der Gesang hörte ebenso jäh auf wie er begonnen hatte, und es herrschte wieder Totenstille. Das Herz klopfte mir, und das Blut pochte in meinen Schläfen. Wäre ich nicht vor Angst wie versteinert gewesen, ich hätte augenblicklich die Flucht ergriffen.
    Ohne ein zweites Streichholz anzuzünden, tastete ich mich durch die Reihen der Kirchenbänke, bis ich vor der Tür stand. So stark war das Gefühl der
    Niedergeschlagenheit, das mich überkommen hatte, daß ich mich wie im Traum und
    ganz ohne mein Zutun bewegte. Die Tür war verschlossen. Ich hämmerte eine Zeitlang dagegen, aber es kam keine Antwort. Alles blieb totenstill. Ich tastete den Rand der Tür ab, fand die Angeln, zog die Stifte heraus und ließ die Tür auf mich zufallen. Dämmriges Licht erhellte eine steile Treppe. Es roch ekelerregend nach Whiskey. Jetzt konnte ich oben in der Glockenstube Geräusche hören. Ich riskierte ein zaghaftes Rufen, meinte, ein Brummen als Antwort zu hören, und stieg zögernd die Stufen hinauf.
    Beim ersten Anblick dieses unseligen Raumes war ich im höchsten Maße überrascht. Über das ganze Zimmer waren alte und verstaubte Bücher und Manuskripte verstreut, die unglaublich alt zu sein schienen. In Regalen, die bis an die Decke reichten, wurden schreckliche Dinge in Flaschen und anderen Glasgefäßen aufbewahrt Schlangen und Eidechsen und Fledermäuse. Staub und Moder und Spinnweben überzogen alles. In der Mitte, hinter einem Tisch, auf dem eine brennende Kerze, eine fast geleerte Whiskeyflasche und ein Glas standen, saß eine reglose Gestalt mit hagerem, runzligem Gesicht und wilden Augen, die blicklos durch mich hindurchstarrten. Ich wußte sofort, daß dies Abel Fester, der alte Küster, sein mußte. Er bewegte sich nicht und sagte auch nichts, als ich mich ihm langsam und furchtsam näherte.
    »Mr. Fester?« fragte ich und zitterte unerklärlicherweise vor Schreck, als meine Stimme von den Wänden des kleinen Zimmers widerhallte. Ich bekam keine Antwort, und die Gestalt hinter dem Tisch rührte sich noch immer nicht. Ich fragte mich, ob er sich bis zur Besinnungslosigkeit betrunken hatte, und ging um den Tisch herum, um ihn zu rütteln.
    Ich hatte kaum die Schulter des seltsamen alten Mannes berührt, als dieser wie von der Tarantel gestochen von seinem Stuhl aufsprang. Seine Augen, die immer noch den gleichen leeren Blick hatten, waren unverwandt auf mich gerichtet. Er schwang seine Arme wie Dreschflegel und prallte zurück.
    »Nicht!« schrie er. »Rühren Sie mich nicht an! Gehen Sie weggehen Sie weg!« Ich sah, daß er nicht nur betrunken, sondern auch zu Tode erschrocken war. Mit besänftigendem Tonfall sagte ich ihm, wer ich sei und warum ich gekommen war. Er schien mich halbwegs zu verstehen, ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken und saß schlaff und reglos da.»Ich dachte, daß er es war«, murmelte er. »Ich dachte. Sie waren er, und er ist zurückgekommen, um es sich zu holen. Er hat versucht, rauszukommen die ganze Zeit, seit ich ihn da hineingelegt habe.« Seine Stimme steigerte sich wieder zu einem Kreischen, und er klammerte sich an seinen Stuhl. »Vielleicht ist er jetzt

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