Das Grauen im Museum
»Ich hab seine Seele genommen und sie in eine Flasche eingesperrt, eine kleine schwarze Flasche! Und dann hab ich ihn begraben. Aber er hat seine Seele nicht mehr und kann weder in den Himmel noch in die Hölle! Aber er wird sie sich holen kommen. Er versucht die ganze Zeit schon, aus dem Grab rauszukommen. Ich höre schon, wie er sich durch die Erde wühlt. Er ist unheimlich stark!«
Während der Alte so erzählte, kam ich immer mehr zu der Überzeugung, daß er die Wahrheit sagte, und nicht nur im Suff vor sich hinfaselte. Jedes Detail paßte genau zu der Geschichte, die Haines mir erzählt hatte. Meine Angst nahm ständig zu. Als der alte Hexer jetzt so dämonisch lachte, war ich versucht, die enge Treppe hinunterzurennen und das Weite zu suchen. Die Augen fielen mir fast aus den Höhlen, als ich sah, daß das Kreuz auf Vanderhoofs Grab sich eindeutig noch stärker geneigt hatte, seit ich es das letztemal gesehen hatte. Es bildete jetzt schon einen Winkel von 45 Grad!
»Können wir Vanderhoof nicht ausgraben und ihm seine Seele wiedergeben?« fragte ich beinahe atemlos, weil ich das Gefühl hatte, es müßte schleunigst etwas unternommen werden. Der alte Mann sprang entsetzt von seinem Stuhl auf. »Nein, nein, nein!« schrie er. »Er würde mich umbringen. Ich hab die Formel vergessen, und wenn er rauskommt, ist er wieder lebendig, aber ohne Seele. Er würde uns beide töten!«
»Wo ist die Flasche mit seiner Seele?« fragte ich und ging drohend auf ihn zu. Ich spürte, daß irgend etwas Grauenhaftes geschehen würde, und das mußte ich unter allen Umständen verhindern.
»Das werde ich Ihnen nicht sagen. Sie junger Spund!« knurrte er. Ich sah ein seltsames Licht in seinen Augen glimmen, während er sich in eine Ecke zurückzog. »Und rühren Sie mich auch nicht an, denn das würde Ihnen leid tun!«
Ich tat einen Schritt vorwärts, denn ich hatte auf einem niedrigen Hocker neben ihm zwei schwarze Flaschen erblickt. Foster murmelte mit leiser, singender Stimme ein paar seltsame Wörter. Mir wurde alles grau vor Augen, und irgend etwas in mir schien nach oben gezogen zu werden, so als wollte es durch meinen Hals entweichen. Ich spürte, wie meine Knie weich wurden.
Ich taumelte vorwärts, packte den alten Küster an der Gurgel und griff mit der freien Hand nach den Flaschen auf dem Hocker. Aber der alte Mann fiel rücklings um und stieß mit dem Fuß an den Hocker, so daß eine der Flaschen zu Boden fiel, während ich die andere gerade noch zu fassen bekam. Ein blauer Lichtblitz zuckte auf, und der Raum füllte sich mit Schwefelgeruch. Aus dem kleinen Scherbenhaufen stieg ein weißes Dampfwölkchen auf, das von der Zugluft sofort zum Fenster hinausgeweht wurde.
»Sei verflucht, du Schurke!« ertönte eine leise Stimme, die von weither zu kommen
schien. Foster, den ich losgelassen hatte, als die Flasche zerbrach, kauerte an der Wand und sah noch kleiner und verhutzelter aus als zuvor. Sein Gesicht färbte sich allmählich schwarzgrün.
»Fluch dir!« ertönte abermals die Stimme, die kaum aus seinem Mund zu kommen schien. »Ich bin verloren! Die da drin war meine. Dominie Slott hat sie mir vor 200 Jahren genommen!«
Er ließ sich auf den Boden rutschen und sah mich mit Haß in den zusehends trübe werdenden Augen an. Seine Haut verfärbte sich schwarz, dann gelb. Entsetzt beobachtete ich, wie sein Körper offenbar zerbröckelte und seine Kleidung sich in immer schlaffere Falten legte.
Die Flasche in meiner Hand wurde warm. Ich sah sie voller Angst an. Sie phosphoreszierte leicht. Schreckensstarr stellte ich sie auf den Tisch, konnte sie aber nicht aus den Augen lassen. Ein Moment ominöser Stille trat ein, während die Flasche heller zu glimmen begann, und dann hörte ich ganz deutlich das Geräusch von rutschender und herabfallender Erde. Nach Atem ringend schaute ich aus dem Fenster. Der Mond stand jetzt hoch am Himmel, und in seinem Licht sah ich, daß das Kreuz auf Vanderhoofs Grab jetzt vollends umgefallen war. Wieder kam das Geräusch herabfallender Erde, und nun hielt es mich nicht länger ich polterte die Treppe hinunter und fand den Weg ins Freie. Mehrmals stolperte ich und fiel hin, während ich so in blindem Entsetzen floh. Als ich am Fuß des Kirchhügels angelangt war, am Eingang zu der düsteren Weidenallee, hörte icr hinter mir furchtbares Gebrüll. Ich blieb stehen und schaute zui Kirche zurück. Ihre Mauer glänzte im Mondschein, und davoi sah ich einen riesigen, widerwärtigen
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