Das Grauen im Museum
dem steifen, pompösen Spanisch einer längst vergangenen Epoche. Im goldenen Licht des Sonnenuntergangs sah ich mir die Überschrift und den einleitenden Absatz an und versuchte, das kaum leserliche Manuskript des dahingegangenen Schreibers zu entziffern. Was für ein Relikt mochte das sein? Auf was für eine Entdeckung war ich gestoßen? Die ersten Worte lösten in mir einen neuen Sturm der Erregung und Neugier aus, denn anstatt mich von meiner Suche abzubringen, bestärkten sie mich in eben dieser Unternehmung.
Die vergilbte Schriftrolle mit der grünen Schrift begann mit einer in großen Lettern abgefaßten, erklärenden Überschrift und einem feierlichen, beschwörenden Aufruf, den folgenden Enthüllungen Glauben zu schenken:
RELACION DE PANFILO DE ZAMACONA
Y NUNEZ,HIDALGO DE LUARCAEN
ASTURIAS, TOCANTE AL MUNDO SOTERR’ANEO
DE XINAIAN. A. D. MDXLV
En el nombre de la santisima Trinidad, Padre, Hijo, y Espiritu-Sano, tres personas distintas y un solo. Dios verdadero, ye da la santisima Virgen nuestra Senora, YO, PANFILO DE ZAMACONA, HIJO DE PEDRO GUZMAN Y ZAMACONA, HIDALGO, Y DE LA DONA YN’ES ALVARADO Y NUNEZ, DE LUARCA EN ASTURIAS, juro para que todo que deco est’a verdadero como sacramento …
Ich hielt inne, um über die ungeheuerliche Bedeutung dessen, was ich las,
nachzudenken. »Die Erzählung des Edlen Panfilo de Zamacona y Nunez aus Luarca in Asturien, betreffend die unterirdische Welt von Xinaidn, A.D. 154; …Dies war sicherlich mehr, als eines Menschen Verstand auf einmal aufzunehmen vermochte. Eine unterirdische Welt abermals dieses wiederkehrende Motiv, das in allen Erzählungen der Indianer und allen Äußerungen derer auftauchte, die vom Hügel zurückgekehrt waren. Und das Datum, 1545, was konnte das bedeuten? Im Jahre
1540 waren Coronado und seine Männer von Mexiko aus nach Norden in die Wildnis vorgedrungen, aber hatten sie nicht 1541 kehrtgemacht? Ich überflog suchend den einleitenden Teil der Schriftrolle und stieß fast augenblicklich auf den Namen Francisco Vasquez de Coronado.Der Verfasser dieses Manuskripts war offenbar einer von Coronados Leuten gewesen, aber was hatte er noch in diesem abgelegenen Gebiet zu suchen gehabt, drei Jahre nachdem seine Gefährten nach Mexiko zurückgekehrt waren? Ich mußte weiterlesen, denn was nun folgte, war lediglich eine zusammenfassende Darstellung von Coronados Marsch nach Norden, die in keinem wesentlichen Punkt von dem historisch gesicherten Bericht abwich.
Nur das schwindende Tageslicht hinderte mich weiterzulesen, und in meiner Ungeduld und Verwirrung hätte ich beinahe meine Angst davor vergessen, an diesem unheimlichen Ort von der hereinbrechenden Nacht überrascht zu werden. Andere hatten jedoch keineswegs vergessen, in welcher Gefahr ich schwebte, denn ich hörte lautes Rufen von einer Gruppe von Männern, die sich am Ortsrand gebildet hatte. Ich erwiderte ihren Ruf und steckte das Manuskript in seinen merkwürdigen Zylinder zurück, an dem übrigens das Amulett immer noch haftete, bis ich es wegriß und zusammen mit meinen kleineren Utensilien einpackte. Ich ließ Hacke und Schaufel für die Arbeit des kommenden Tages zurück, nahm meine Tasche, kletterte den steilen Abhang des Hügels hinunter und war eine Viertelstunde später wieder im Dorf, wo ich meinen seltsamen Fund beschrieb und herumzeigte. In der
zunehmenden Dunkelheit blickte ich noch einmal zu dem Hügel zurück, den ich eben erst verlassen hatte, und sah schaudernd, daß die bläuliche Fackel des nächtlichen Squaw-Geistes zu glimmen begonnen hatte. Ich konnte es kaum erwarten, mich der Erzählung des längst verstorbenen Spaniers zu widmen, aber ich wußte, daß ich für eine gute Übersetzung Muße und Ruhe brauchte, und hob mir die Arbeit deshalb widerstrebend für die späten Abendstunden auf. Nachdem ich den Einheimischen für den nächsten Morgen einen ausführlichen Bericht über meine Entdeckungen und ihnen Gelegenheit gegeben hatte, den bizarren, verwirrenden Zylinder ausgiebig zu untersuchen, begleitete ich Clyde Compton nach Hause und ging so bald wie möglich in mein Zimmer hinauf, um mit der Übersetzung zu beginnen. Mein Gastgeber und seine Mutter waren sehr gespannt auf die Geschichte, aber ich hielt es für besser, sie warten zu lassen, bis ich den Text selbst genau studiert hatte und ihnen ausführlich über den Inhalt berichten konnte.
Im Licht einer einzigen Glühbirne öffnete ich meine Tasche, holte den Zylinder heraus und bemerkte sofort
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