Das Grauen im Museum
aus der neuen Heimat.
Sally hatte sehr viel Verständnis für Walkers Schlangenfurcht, doch die Ängstlichkeit, die Audrey infolge seiner unablässigen Gebete und Prophezeiungen über den Fluch Yigs entwickelte, verschlimmerte sie eher noch, statt ihr zu helfen, sie zu überwinden. Sie kannte unglaublich viele grausige Schlangengeschichten und erzielte stets eine besonders starke Wirkung mit ihrem anerkannten Meisterstück, der Geschichte von einem Mann im Kreis Scott, der von einer ganzen Horde Klapperschlangen auf einmal gebissen worden war und dessen Körper sich durch das Gift so monströs aufgebläht hatte, daß er schließlich mit lautem Knall platzte. Es versteht sich, daß Audrey derlei Geschichten ihrem Mann nicht weitererzählte und die Comptons beschwor, sie auch nicht in der ganzen Gegend in Umlauf zu bringen. Man muß Joe und Sally zugute halten, daß sie dieser Bitte aufs gewissenhafteste entsprachen. Walker säte schon früh seinen Mais aus und konnte im Hochsommer eine recht ansehnliche Heuernte einbringen. Mit Joe Comptons Hilfe grub er einen Brunnen, der eine bescheidene Menge guten Wassers lieferte, doch er nahm sich vor, später einen artesischen Brunnen anzulegen. Er hatte kaum furchterregende Begegnungen mit Schlangen und sorgte dafür, daß sein Land für die Reptilien möglichst unwirtlich wurde. Hin und wieder ritt er zu dem Genist strohbedeckter, kegelförmiger Hütten hinüber, das das Hauptdorf der Wichitas bildete, und unterhielt sich lange mit den alten Männern und Schamanen über den Schlangengott und darüber, wie dessen Zorn zu begegnen sei. Gegen Whiskey versorgten ihn die Indianer freigiebig mit Zaubersprüchen, aber vieles von dem, was sie ihm sagten, war alles andere als beruhigend.
Yig war ein großer Gott. Er war schlechte Medizin. Er vergaß nie etwas. Im Herbst waren seine Kinder hungrig und wild, und auch Yig war dann hungrig und wild. Alle Stämme machten zur Erntezeit Medizin gegen Yig. Sie opferten ihm etwas Mais und tanzten in festlicher Kleidung zum Klang von Pfeife, Rassel und Trommel. Sie trommelten unablässig, um Yig zu vertreiben, und riefen Tir’awa zu Hilfe, dessen Kinder die Menschen sind, genauso wie die Schlangen Yigs Kinder sind. Es sei schlimm, daß Davis’ Squaw die Kinder von Yig getötet habe. Davis sollte die Zaubersprüche viele Male aufsagen, wenn die Zeit der Maisernte gekommen war. Yig ist Yig. Yig ist ein großer Gott.
Als dann die Erntezeit gekommen war, hatte Walker es glücklich geschafft, seine Frau in einen bedauernswert nervösen Zustand zu versetzen. Seine Gebete und den Indianern abgeschauten Beschwörungen wurden ihr mit der Zeit lästig, und als die Herbstriten der Indianer begannen, mußte sie sich auch noch das unablässige, vom Wind herübergetragene Getrommel anhören. Warum hörte es nie auf? Tag und Nacht, Woche für Woche dröhnten die Trommeln, so unermüdlich wie der rote, staubige Wind, der die Töne herbeiwehte. Audrey empfand größeren Abscheu davor als ihr Mann, der darin vor allem ein Element der Abwehr gegen Yig sah. In diesem Gefühl, durch ein mächtiges, unantastbares Bollwerk vor diesem Übel geschützt zu sein, brachte er seine Ernte ein und bereitete die Blockhütte und den Stall für den Winter vor.
Der Herbst war ungewöhnlich warm, und abgesehen von ihrer primitiven Kocherei brauchten die Davis’ kaum den Kamin zu benützen, den Walker mit so großer Sorgfalt errichtet hatte.Irgend etwas an diesen unnatürlichen heißen Staubwolken zerrte an den Nerven aller Siedler, doch vor allem an denen von Audrey und Walker. Der über allem schwebende Fluch des Schlangengottes und die unheimlichen, nie endenden Rhythmen der fernen Indianertrommeln erzeugten eine schlimme Atmosphäre, die durch jedes zusätzliche Element des Bizarren absolut unerträglich werden konnte.
Trotz dieser Belastung wurden in der einen oder anderen Blockhütte mehrere Feste gefeiert, nachdem die Ernte eingebracht worden war, und dabei wurden die seltsamen Erntedank-Riten, die so alt sind wie der Ackerbau selbst, zu neuem Leben erweckt. Lafayette Smith, der aus Süd-Missouri kam und seine Blockhütte etwa drei Meilen östlich von der Walkers hatte, war ein recht passabler Fiedler, und seine Weisen trugen viel dazu bei, daß die Feiernden das monotone Tönen der fernen TomToms vergaßen. Dann rückte Halloween heran, und die Siedler planten noch eine andere Belustigung, die, was sie jedoch nicht wußten, noch älter war als der Ackerbau: der
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