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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Princeton. Er war Jahrgang 1909. Er entschied sich schließlich für den Arztberuf und studierte ein Jahr Medizin in Harvard. Dann kam er auf die Idee, die alte französische Tradition der Familie hochzuhalten, und bat mich, ihn nach Paris auf die Sorbonne zu schicken. Ich willigte ein und war richtiggehend stolz auf ihn, obwohl ich wußte, wie einsam ich sein würde, wenn er nach Europa ging. Wollte Gott, ich hätte es ihm nicht erlaubt! Ich war überzeugt, daß er in Paris bestens aufgehoben sein würde. Er hatte ein Zimmer in der Rue St. Jacques das ist in der Nähe der Universität im Quartier Latin -, aber seinen Briefen und den Berichten seiner Freunde zufolge hatte er mit der Boheme nichts im Sinn. Er verkehrte fast nur mit jungen Burschen von zu Hause, ernsthaften Studenten und Künstlern, denen ihre Arbeit wichtiger war als Studentenulks und die neuesten politischen und philosophischen Modeerscheinungen.
    Aber es gab natürlich auch eine ganze Menge von Burschen, die gewissermaßen auf der Grenze zwischen Gelehrsamkeit und Teufelswerk standen. Die Ästheten, die Dekadenten, Sie wissen schon. Leute, die durch allerlei Experimente dem Leben und den Gefühlen auf den Grund gehen wollen. Typen wie Baudelaire. Natürlich kam Denis auch mit diesen Leuten in Berührung und sah, wie sie lebten. Sie hatten alle möglichen verrückten Zirkel und Kulte — Teufelsanbetung, imitierte Schwarze Messen und dergleichen. Den meisten hat das im großen und ganzen wohl nicht viel geschadet, wahrscheinlich vergaßen sie den Unfug nach ein oder zwei Jahren. Einer, der sich am intensivsten mit diesem seltsamen Zeug befaßte, war ein Bursche, den Denis von der Schule her kannte, ja dessen Vater ich selbst gekannt hatte, Frank Marsh aus New Orleans. Schüler von Lafcadio Hearn, Gauguin und van Gogh ein typisches Produkt der verrückten neunziger Jahre. Armer Kerl er hatte das Zeug zu einem großen Künstler. Marsh war der älteste Freund, den Denis in Paris hatte, und so waren sie natürlich oft zusammen, um über die alten Zeiten an der St. Clair Academy und das alles zu reden. Der Junge schrieb mir viel über ihn, und ich dachte an nichts Böses, als er von den Mystikern erzählte, mit denen sich Marsh eingelassen hatte. Es gab da offenbar einen Kult um prähistorische ägyptische und karthagische Magie, der zu der Zeit unter den Bohemiens auf dem linken Ufer der letzte Schrei war so ein paar Wirrköpfe, die behaupteten, auf vergessene Quellen geheimer Wahrheiten untergegangener afrikanischer Kulturen zurückgreifen zu können -den großen Zimbabwe, die toten Atlantischen Städte in der Hoggar-Region der Sahara ein Haufen Unfug von Schlangen und menschlichem Haar. Zumindest hielt ich es damals für Unfug. Denis berichtete mir von seltsamen Dingen, die Marsh über die verdeckte Wahrheit hinter den Legenden vom Schlangenhaupt der Medusa gesagt hatte und hinter dem späteren Ptolemäischen Mythos von Berenice, die ihr Haupthaar opferte, um ihren Gemahl und Bruder zu retten, worauf es verschwand und als Sternbild Coma Berenices erschien.
    Ich glaube kaum, daß diese Geschichten Denis sonderlich beeindruckten bis zur Nacht des sonderbaren Rituals in Marshs Wohnung, bei dem er die Priesterin kennenlernte. Die meisten Anhänger dieses Kults waren junge Burschen, aber an seiner Spitze stand eine junge Frau, die sich selbst Tanit-Isis nannte, mit richtigem Namen in dieser letzten Inkarnation, wie sie sich ausdrückte jedoch Marceline Bedard hieß. Sie gab sich als illegitime Tochter des Marquis de Chameaux aus und hatte sich offenbar als dilettierende Künstlerin und als Malermodell betätigt, bevor sie sich diesem lukrativeren Spiel mit der Magie zugewendet hatte. Irgend jemand behauptete auch, sie hätte eine Zeitlang in Westindien gelebt ich glaube auf Martinique -, aber sie selbst sprach nicht gerne über sich. Es gehörte zu ihrer Pose, sich streng und heilig zu geben, aber ich glaube nicht, daß die erfahreneren Studenten sie da sehr ernst nahmen.
    Denis war jedoch alles andere als erfahren und schrieb mir einen zehnseitigen Brief voller schwülstigem Unsinn über die Göttin, die er entdeckt habe. Wenn ich gewußt hätte, wie arglos er war, hätte ich etwas dagegen tun können, aber ich dachte nicht im Traum daran, daß eine solche jünglingshafte Schwärmerei irgendwelche gravierenden Folgen haben würde. Groteskerweise war ich überzeugt, daß Denis’ persönliches Ehrgefühl und sein Familienstolz ihn stets vor

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