Das Grauen im Museum
verhängnisvollen Komplikationen bewahren würden. Mit der Zeit beunruhigten mich seine Briefe jedoch immer stärker. Er erwähnte immer öfter diese Marceline und erzählte immer weniger von seinen Freunden; dafür hielt er sich darüber auf, wie >grausam und töricht< sie seien, weil sie sich weigerten, die Frau ihren Müttern und Schwestern vorzustellen. Offenbar stellte er ihr nie Fragen über ihre Vergangenheit, und man kann sich denken, daß sie ihm mit allerlei romantischen Märchen über ihre Herkunft und ihre göttlichen Offenbarungen den Kopf verdrehte. Mit der Zeit wurde mir klar, daß Denis alle Kontakte zu seinem Bekanntenkreis abbrach und den größten Teil seiner Zeit mit dieser verführerischen Priesterin verbrachte. Auf ihren ausdrücklichen Wunsch hielt er ihre häufigen Zusammenkünfte vor seinen alten Freunden geheim, und deshalb versuchte auch keiner, ihn zur Vernunft zu bringen.
Ich nehme an, sie glaubte, Denis sei märchenhaft reich; er hatte etwas von einem Patrizier, und Angehörige einer gewissen Schicht halten alle aristokratischen Amerikaner für wohlhabend. Auf jeden Fall sah sie wahrscheinlich ihre Chance gekommen, eine legitime Verbindung mit einem jungen Mann aus den besten Kreisen einzugehen. Als ich endlich so beunruhigt war, daß ich ihm unverhohlen abriet, war es zu spät. Der Junge hatte sie geheiratet und schrieb mir, er werde sein Studium abbrechen und die junge Frau nach Riverside heimführen. Er meinte, sie hätte ein großes Opfer gebracht, indem sie auf die Führung des magischen Kults verzichtet hatte, und wolle künftig nur noch Ehefrau und Hausherrin sein die Herrin von Riverside und Mutter der künftigen de Russys.
Nun, Sir, ich versuchte, das Beste daraus zu machen. Ich wußte, daß gebildete Europäer Grundsätze hatten, die von unseren alten amerikanischen Prinzipien abwichen — und letzten Endes hatte ich ja keine konkreten Gründe, der Frau zu mißtrauen. Sie war vielleicht ein weiblicher Scharlatan, aber mußte sie unbedingt Schlimmeres sein? Ich nehme an, ich versuchte damals, diesen Dingen so wenig wie möglich auf den Grund zu gehen, meinem Jungen zuliebe. Es blieb mir bei nüchterner Betrachtung nichts anderes übrig, als Denis gewähren zu lassen, solange seine junge Frau sich an die Spielregeln der de Russys hielt. Ich wollte ihr die Chance geben, sich zu bewähren vielleicht würde sie der Familie doch keinen solchen Schaden zufügen, wie mancher vielleicht befürchtet hätte. Ich erhob also keinerlei Einwände und machte meinem Sohn keinerlei Vorwürfe. Es geschah, wie er es wollte, und ich war bereit, ihn willkommen zu heißen, was immer er auch mitbringen mochte.
Drei Wochen nach dem Telegramm, durch das ich von der Heirat erfahren hatte, kamen sie hier an. Marceline war schön, das mußte man ihr lassen, und ich verstand, daß der Junge verrückt nach ihr war. Sie wirkte auch irgendwie edel, und ich glaube bis heute, daß sie zumindest etwas gutes Blut in sich hatte. Sie war anscheinend nicht viel älter als zwanzig, mittelgroß, ziemlich schlank und in Haltung und Bewegung graziös wie eine Tigerin. Ihre Haut hatte das samtige Weiß von altem Elfenbein, und ihre Augen waren groß und sehr dunkel. Sie hatte feine, wenn auch für meinen Geschmack nicht klar genug ausgeprägte Gesichtszüge von klassischer
Regelmäßigkeit, und das außergewöhnlichste pechschwarze Haar, das ich je gesehen habe. Es wunderte mich nicht, daß das Haar in ihrem magischen Kult eine so große Rolle spielte; angesichts ihrer eigenen Haarpracht mußte sie wie von selbst auf diese Idee kommen. Wenn sie es hochgesteckt trug, sah sie aus wie eine orientalische Prinzessin auf einer Zeichnung von Aubrey Beardsley. Ließ sie es lose herabfallen, reichte es ihr bis unter die Knie und glänzte im Licht, als besäße es ein eigenes, unnatürliches Leben. Ich kann mir vorstellen, daß ich beim genauen Betrachten dieses Haars auch ohne die entsprechenden Hinweise von selbst an Medusa oder Berenice gedacht hätte. Manchmal schien es mir fast, als bewegte es sich ganz leicht von selbst, als neige es dazu, sich selbst in bestimmte Strähnen zu legen, aber das kann pure Illusion gewesen sein. Sie bürstete es unermüdlich und behandelte es offenbar auch mit irgendeinem Präparat. Einmal ging mir der Gedanke durch den Kopf ein kurioser, skurriler Gedanke -, ihr Haar sei etwas Lebendiges, das sie auf eine merkwürdige Art füttern mußte. Alles Unsinn aber eben doch Dinge, die mich in meiner
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