Das Grauen lauert in der Tiefe
anderen Ende des Flurs zu.
Und tatsächlich fanden die drei direkt neben Professor Hardenbergs Schlafkammer ein kleines Teezimmer mit mehreren Sesseln und einem Kamin vor. Sie hatten sich kaum in die weichen Polster fallen lassen, da tauchte auch schon der Butler mit einem Tablett auf. Max hatte den Eindruck, dass der Diener diesmal verdächtig lange dafür brauchte, die Tassen und eine große Platte mit Sandwiches auf dem Tisch abzustellen. Und als er danach einen Staubwedel aus der Tasche zog und damit den Kaminsims bearbeitete, war Max endgültig davon überzeugt, dass Tom recht gehabt hatte: Die elektronischen Hausangestellten hatten den Auftrag, die Bewohner von Atlantic Haven zu belauschen und ihnen hinterherzuspionieren.
Max räusperte sich und sagte an den Butler gewandt: »Mama kann es gar nicht leiden, wenn das Essen nicht pünktlich serviert wird.«
Doch der Butler wedelte ungerührt weiter. Danach begann er, eine goldene Pendeluhr aufzuziehen, die er dafür erst einmal zerlegen musste.
»Hoppla«, sagte Tom plötzlich. Er hatte etwas Zucker auf dem Tisch verstreut.
Max und Mafalda wollten ihm beim Saubermachen helfen, aber dann bemerkten sie, dass Tom den Zucker benutzte, um etwas auf die Tischplatte zu schreiben.
Befehlen!, stand dort.
Max schaute seinen neuen Freund verständnislos an. Tom schaufelte den Zucker zurück in die Dose und formte dabei ein kleines Ausrufezeichen auf dem dunklen Holz.
Jetzt hatte Max verstanden. »Butler«, sagte er im strengen Tonfall seiner Mutter, wenn sie den Hausangestellten Anordnungen gab. »Bitte gehen Sie jetzt in die Küche und kümmern Sie sich um das Mittagessen. Wir hätten gern eine Austernsuppe mit Chili-Butter, Hühnchen-Curry und Roastbeef, dazu frisch gebackenes Brot und als Nachtisch Apfelkuchen mit Schlagsahne.«
»Sehr wohl«, sagte der Butler. In erstaunlicher Geschwindigkeit hatte er die Uhr wieder zusammengesetzt und war kurz darauf bereits aus dem Zimmer gerollt.
»Mhmm!« Mafalda leckte sich über die Lippen. »Aber du hättest ruhig auch noch Schokoladenpudding bestellen können. Und Cheeseburger!«
»Gut gemacht«, sagte Tom grinsend. »Damit dürfte der alte Dackel eine Weile beschäftigt sein. Direkte Anordnungen sind die Schwachstelle der elektrischen Diener. Schließlich sind sie ja ursprünglich dafür gebaut worden, einem das Leben zu erleichtern .«
»Wer hat eigentlich die ganzen tollen Sachen hier erfunden?«, wollte Mafalda wissen. »Ich meine, all diese Automobile und automatischen Diener …«
»Die meisten Konstruktionspläne stammen von meinem Vater, Dr. Sinclair und Professor Hardenberg«, sagte Tom und zuckte mit den Schultern, als ob die wunderbaren Geräte nichts Besonderes wären. »Bei einigen Sachen, die die Elektrizität betreffen, hatte auch Dr. Baldurixi seine Finger mit im Spiel. Aber das ist eigentlich ein Spinner …«
Die drei Kinder schwiegen einen Moment und Toms Miene verfinsterte sich von Sekunde zu Sekunde. Max ahnte, dass sein Freund genau wie er darüber nachgrübelte, dass ihnen die Zeit davonlief. Wenn sie Toms Eltern unversehrt aus den Händen der Entführer retten wollten, mussten sie sehr bald etwas unternehmen.
Schließlich ergriff Tom wieder das Wort. »Wohin genau meine Eltern gebracht wurden, weiß ich nicht«, sagte er zermürbt. »Aber es ist auch überhaupt kein gutes Zeichen, dass die Gardisten eure Eltern abgeholt haben. Wenn Mr Crimer in Atlantic Haven wirklich nichts mehr zu melden hat, sind sie vielleicht gar nicht zum Altstain-Turm gefahren. Für mich sah es sowieso eher so aus, als hätte Justizsenator Kolschok seine Männer geschickt, um eure Eltern zu einem Verhör abzuführen.«
Max war bei Toms Worten alle Farbe aus dem Gesicht gewichen. Trotzdem bemühte er sich, nicht die Nerven zu verlieren. Er lächelte Mafalda aufmunternd zu, die ebenfalls weiß wie ein Blatt Papier war. »Wenn du recht hast«, wandte Max sich wieder an Tom, »dann müssen wir der Spur dieser Gardisten folgen, auch wenn wir uns damit selbst in Gefahr begeben. Nur so können wir herausfinden, wer hinter der Entführung deiner Eltern steckt.«
Tom verschränkte die Arme vor der Brust und machte ein grimmiges Gesicht, doch bevor er antworten konnte, ließ ein unheimliches Geräusch die Kinder zusammenzucken.
»Was war das denn?«, fragte Mafalda.
»Wir schauen nach«, entschied Max. Er stand auf, allerdings nicht so schwungvoll wie sonst. Hilfe suchend sah er seinen neuen Freund an.
Tom nickte ihm zu.
Weitere Kostenlose Bücher