Das Grauen lauert in der Tiefe
trinken. Mit dem Essen, das kurz darauf aufgetischt wurde, ging es ihm ähnlich. Während Mafalda sich mindestens genauso gierig wie die Jungs und Mädchen um sie herum die Wiener Würstchen, den Hackbraten mit Ananas und den Schokoladenpudding auf den Teller schaufelte, bekam Max kaum einen Bissen hinunter. Er musste sich zwar keine Sorgen darum machen, dass seine Schwester sich verplapperte, denn dafür hatte sie den Mund die ganze Zeit über zu voll, aber die Rede des Bürgermeisters bereitete ihm Kopfzerbrechen. Gerechtigkeit, Wohlstand und Gesundheit waren natürlich wunderbare Errungenschaften, aber den Tod besiegen zu wollen – das hörte sich irgendwie vollkommen verrückt an. Und warum musste Mr Crimer zur Verwirklichung seiner Ziele heimlich eine Stadt auf dem Meeresgrund bauen? Denn dass Atlantic Haven ein Geheimprojekt war, da war er sich ziemlich sicher, andernfalls hätte sein Vater davon gewusst, oder es hätte in der Zeitung gestanden. Dort konnte man ja auch ständig etwas über den gigantischen Turm lesen, den Herr Eiffel in Paris baute – und diese Stadt hier war schließlich noch viel gigantischer!
Während Max noch grübelte, ging das Festessen zu Ende, und Familie Fox wurde wieder zu ihrer automobilen Kutsche gebracht. Diesmal setzte sich Mr Crimer höchstpersönlich hinter das Steuerrad und fuhr sie durch den Park, einen kleinen Hügel hinauf und schließlich in ein Wohngebiet, in dem sich hübsche kleine Villen im viktorianischen Stil mit großen Gärten aneinander reihten.
Die Kutsche hielt vor einem leuchtend grün gestrichenen Gartenzaun.
»Darf ich Ihnen behilflich sein?«, fragte Mr Crimer, der eilig von seinem Fahrersitz geklettert war. Er streckte Max seine rechte Hand entgegen, an der ein dicker Siegelring prangte.
»Es geht schon«, sagte Max und sprang aus der Kabine. Er wusste zwar, dass sein Verhalten unhöflich war und er deswegen vermutlich gleich Ärger mit seiner Mutter bekommen würde, aber irgendwie mochte er diesen aufgeblasenen Bürgermeister und Stadtgründer nicht, auch wenn ihm so etwas wie das achte Weltwunder gelungen war. Außerdem hatte er aus dem Augenwinkel gerade einen Jungen gesehen, der offenbar in der Nachbarschaft wohnte. Vielleicht konnte er ihn vorsichtig ausfragen, was es mit dieser Siedlung auf dem Meeresgrund auf sich hatte. Max wäre gern zu ihm gelaufen und hätte ihn angesprochen, aber leider versperrte ihm Mr Crimer die Sicht.
Der Bürgermeister hüstelte trocken und führte die Familie durch eine Eisenpforte in einen hübsch angelegten Vorgarten, der rechts und links von gewaltigen Rhododendronbüschen gesäumt wurde. Dahinter ragte ein Gebäude auf, das deutlich größer war als die Häuser auf den Nachbargrundstücken. Es sah irgendwie düster und gruselig aus und erinnerte Max ein bisschen an ein Spukhaus.
»Dies ist Dunham Hall. Das Anwesen war der Wohnsitz von Professor Hardenberg, bevor er, äh, von einer Gruppe Unruhestifter, nun ja, äh, eliminiert wurde. Hier werden Sie und Ihre reizende Familie wohnen«, erklärte Mr Crimer und überreichte Professor Fox einen Schlüssel, den allerdings sofort Mrs Fox an sich nahm.
»Ich muss Sie bitten, die Tür stets sorgfältig verschlossen zu halten, denn wie ich Ihnen ja bereits geschrieben hatte, haben wir in letzter Zeit einigen Ärger mit den Unruhestiftern, die der abscheuliche Mr Nin um sich versammelt hat. Wir werden natürlich alles unternehmen, um Sie und Ihre Familie vor diesem Gesindel zu schützen.« Der Bürgermeister räusperte sich kurz, ehe er fortfuhr: »Ich hoffe, Ihr neues Domizil sagt Ihnen zu?«
»Ganz bezaubernd«, versicherte Mrs Fox in ihrem charmantesten Tonfall.
Mr Crimer lächelte.
»Wäre es Ihnen recht, wenn ich Sie morgen Nachmittag besuche und wir alles Weitere besprechen?«
Professor Fox nickte mit einem leisen Seufzer, der auf einen erneuten Ellenbogenknuff seiner Frau hindeutete. Statt einer Antwort holte er seine Pfeife aus der Tasche seines Jacketts und begann, sie zu stopfen.
»Dann wünsche ich Ihnen allen noch einen guten Tag und eine angenehme Eingewöhnung«, verabschiedete sich Mr Crimer. Er drehte sich um und hatte mit wenigen Schritten das Gartentor erreicht, als ihm offenbar noch etwas einfiel. Erstaunlich schnell stand er wieder vor Professor Fox. »Wo sind denn eigentlich Ihre Koffer?«, fragte er.
Max rutschte für einen Moment das Herz in die Hose, denn offenbar war ihre falsche Identität nun doch aufgeflogen.
»Wir reisen mit leichtem
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